ICANN beugt sich dem Druck der Regierungen

Die Einführung der neuen Top Level Domains wie .berlin verschiebt sich noch einmal.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 43 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Monika Ermert

Der Vorstand der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) hat die Einführung der neuen Top Level Domains noch einmal verschoben. Entgegen Erwartungen von Seiten der Bewerber, wird es wieder einmal nichts mit dem ursprünglich für Mai anberaumten Start des Bewerbungsverfahrens. Verantwortlich für die erneute Verschiebung sind neben den Markenrechtsinhabern in erster Linie die bei der ICANN vertretenen Regierungen, die in ihrem Cartagena-Kommuniqué weitere Nachbesserungen im komplizierten Bewerbungsverfahren forderten. Ein spezielles Treffen zwischen Regierungen und ICANN-Vorstand im Februar soll versuchen, das TLD-Verfahren doch noch so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen.

Die Regierungen präsentierten dem ICANN-Vorstand eine lange Liste von Fragen, die ihrer Ansicht nach in den von den ICANN-Gremien erarbeiteten Bewerbungsregeln noch nicht ausreichend – oder nicht in ihrem Sinne – geregelt sind. Dazu gehören trotz Einführung strikter Markenschutzprozeduren laut dem Regierungs-Kommuniqué nach wie vor der Schutz von Rechteinhabern. ICANN hat insgesamt drei komplett neue Markenschutzverfahren eingeführt: ein Clearinghaus für Markenrechte, ein Schnellverfahren gegen TLD-Grabbing und ein besonderes Streitschlichtungsverfahren, das neue TLD-Bewerber auch nach der Erteilung einer Domain auf dem rechten Weg halten soll.

Ungelöst sind aus Regierungssicht schließlich auch das Einspruchsverfahren gegen „sensible Begriffe“ im Bewerbungsverfahren und, dass Regierungen wie alle anderen für solche Verfahren zur Kasse gebeten werden sollen. Auch der Schutz geographischer Namen geht den Regierungen trotz einem Entgegenkommen der ICANN nach wie vor nicht weit genug und sie möchten Bedenken der Strafverfolger in einem neuen Standardvertrag mit den Registraren aufgegriffen sehen.

Hat die ICANN-Spitze Angst, im Zweifel auch ohne restlose Zustimmung der Regierungen das seit Jahren diskutierte Verfahren auf den Weg zu bringen, ließen sich die zwei ICANN-Spitzenleute, Peter Dengate Thrush, der Vorsitzende des Vorstands, und CEO Rod Beckstrom von ihrem Pressechef fragen. „Das hat nichts mit Angst zu tun“, sagte Dengate Thrush. ICANN müsse vielmehr sicherstellen, dass alle relevanten Stellungnahmen berücksichtigt worden seien.

Aus seiner Sicht sei es in Ordnung, an einem bestimmten Punkt dann auch gegen die Empfehlungen der Regierungen zu handeln, wenn sich ein weiterer Ausgleich mit dem Konsens in der "Community" nicht mehr bewerkstelligen lasse, sagte Dengate Thrush mit Blick auf den weiter schwelenden Streit um die Rotlicht-Domain .xxx. Zu dieser Entscheidung bereiten Vorstand und Regierungsbeirat sich offenbar darauf vor, das satzungsmäßige Verfahren zu beschreiten, dass ICANN seine Motive erklären muss, wenn es sich gegen die Regierungsempfehlungen entscheidet. Möglicherweise müssen die privaten Selbstverwalter sich auch bei der Einführung neuer TLDs irgendwann gegen Aufschub-Bitten des GAC entscheiden. Dann wird es besonders spannend sein zu beobachten, inwieweit die US-Regierung bereit ist, einen solchen Schritt zu tolerieren. (ps)