D21 kämpft gegen Black-Box-Strategie

Durch die Kampagne "Mittendrin im Leben" will die Initiative D21 Nutzer über 50 mit Computer und Internet vertraut machen. Die digitale Herausforderung soll nicht als unattraktive, geheimnisträchtige "schwarze Kiste" erscheinen.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit 1000 Teilnehmern erreichte der gestrige 4. Jahreskongress der Initiative D21 in Bremen eine neue Rekordmarke. In der Initiative, die sich selbst als "Deutschlands größte Partnerschaft zwischen Politik und Wirtschaft" bezeichnet, arbeiten mehr als 400 Vertreter aus Parteien, Unternehmen, Vereinen und anderen Einrichtungen zusammen, um das Land "ins 21. Jahrundert zu bringen". Mit der Unterstützung von Aktionen wie "Schulen ans Netz" bekannt geworden, tagte man diesmal unter dem Motto "Ideen in Bewegung - mehr Mobilität in der Wissensgesellschaft".

Wurden zuvor die Schulen in den Brennpunkt einer besonderen Förderungsaktion in Sachen IT und Internet gestellt, so sind es nun die über 50-Jährigen, von der Initiative "Best-Ager" genannt. "Mittendrin im Leben" heißt die neue Kampagne, mit der Senioren im besten Surferalter ins Internet gebracht werden sollen. An 300 Standorten will die Initiative DS21 PC- und Internet-Einsteigerkurse für Senioren zum Preis von 10 Euro anbieten. Zudem will man den Kauf günstiger Notebooks ermöglichen, die von Fachleuten zu Hause ans Internet angeschlossen werden – E-Mail-Postfach inklusive.

"Die Initiative D21 öffnet für die Best-Ager sozusagen die abschreckende schwarze Kiste, lädt sie zur Probefahrt ein und stellt ihnen den Wagen vollgetankt vor die Haustür", erklärte Thomas Ganswindt, erster in einer Online-Wahl gekürter Vorsitzender der Initiative. Ganswindt, im Hauptberuf Vorständler bei Siemens, ließ in seiner Eröffnungsrede kein gutes Haar an der PC-Branche. Er verglich ihr Ansinnen, häßliche Rechner an die Kunden zu verhökern, mit dem Versuch eines Autohändlers, einen Audi A6 2,4 in einer schwarzen Kiste an den Mann zu bringen. Der Händler möge noch so sehr von überreichlichen Kilowatt-Leistungen und einem Drehmoment von 380 Newtonmeter schwärmen, der Kunde würde sich niemals für die Box erwärmen. Als Gegenbeispiel führte Ganswindt Apples iPod an, ein leicht verständliches, schickes und technisch hochwertiges Gerät. "Wir versuchen sinngemäß, das Auto aus der Kiste zu nehmen" so Ganswindt. Mit dem ebenfalls von der Initiative unterstützten Nonliner-Atlas, der "fortlaufend die Topographie des digitalen Grabens" untersuche, werde man den Erfolg der Aktion überprüfen.

Der ehrenwerte Versuch, den drögen PC zum schicken iPod des Internet umzumendeln und so die ältere Generation ans Online-Medium heranzuführen, ist nicht die einzige Initiative der Initiative. Mit Vision2Market wurde ein Projekt gestartet, bei dem Studenten Ideen bis zum marktfähigen Produkt entwickeln. Im Unterschied zu anderen Wettbewerben bleibt es nicht beim Produkt auf Papier. Prototypen oder Protosoftware sollen entwickelt und innerhalb eines Testmarkts auf ihre Marktchancen abgeklopft werden. Eigens für diesen Zweck hat der Stadtstaat Bremen die Mobile City entwickelt, über deren 126 neue Arbeitsplätze sich der Bürgermeister Henning Scherf ganz besonders freute. Unter dem putzigen Namen Bonsai Deutschland werden vor allem Ideen für mobile Produkte und Dienstleistungen am Bremer Bürger ausprobiert, denn "Was Bremen kann, kann Deutschland."

In der Jahrespressekonferenz der Initiative D21 gab sich Thomas Ganswindt davon überzeugt, dass Deutschland digital durchstarten wird: "Wir müssen der Igel sein und nicht einfach nur laufen, sondern intelligenter sein. Wir brauchen ein besseres Innovationsmanagement, das realitätsfremde Entwicklungen stoppt und marktnahe Entwicklungen fördert". Für das kommende Jahr hat die Initiative ein 5-Punkte-Programm entwickelt und passend zu den Punkten Leuchtürme und Zielvorgaben proklamiert. Einige dieser Zielvorgaben sind reine Willenserklärungen in der Form, dass die 2006 eingeführte elektronische Gesundheitskarte auf allgemeine Akzeptanz stoße, andere sind konkreter. So lautet die Breitband-Zielvorgabe, dass der Anteil an Breitband-Zugängen im Jahre 2006 mindestens ein Drittel aller Internet-Zugänge ausmachen soll. Konkreter ist das Leuchtturmprojekt einer Notrufnummer für die Informationsgesellschaft, unter der man anrufen soll, wenn man die digitale Identität, bestehend aus Kredit-, Kunden-, Gesundheits- und SIM-Karte, verloren hat.

Neben den fünf Punkten fürs nächste Jahr hat die Inititiative auch ein längerfristiges Zehn-Punkte-Programm aufgelegt, mit dem Deutschland im Sinne der Lissabon-Strategie in die Lage versetzt werden soll, die Agenda 2010 zu erfüllen. Die Punkte wurden von Jürgen Gallmann vorgestellt, im Hauptberuf Geschäftsführer von Microsoft Deutschland. Als wichtigsten Faktor nannte Gallmann die Entwicklung der Medienkompetenz als vierter Kulturtechnik neben Lesen, Rechnen und Schreiben. "Wir brauchen neue Lernformen, sonst bleibt es wie seit 20 Jahren beim immergleichen Schultrott. Wir brauchen die innovative Ganztagsschule, an der die Kinder den Nachmittag anders nutzen, etwa für den Homepagebau ihrer Gruppenprojekte, wenn sie Material für ihre Umweltprojekte online stellen. Die Schule muss zur Communitybildung beitragen, damit sich Kinder sicher in ihrer Community bewegen und sich an ihr beteiligen." An die Regierung appellierend forderte Gallmann ein Ende der Rechtsunsicherheit bei den Mitarbeiter-PC-Programmen, in denen Unternehmen für ihre Angestellten privat genutzte PC kaufen. Diese Anschaffungen werden bislang nicht steuerlich honoriert, was die Initiative D21 verändern will. (Detlef Borchers) / (psz)