Künstliche Gelenke werden sicherer

Mit einer neuen Beschichtung für Implantate könnten gefährliche Entzündungen künftig vermieden werden.

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Von
  • Katherine Bourzac

Mit einer neuen Beschichtung für Implantate könnten gefährliche Entzündungen künftig vermieden werden.

Infektionen, die nach dem Einsetzen künstlicher Gelenke auftreten, können kostspielige Operationen notwendig machen und schlimmstenfalls sogar tödlich enden. Wissenschaftler am MIT entwickeln deshalb nun eine neuartige Beschichtung für medizinische Implantate, die verschiedene Wirkstoff enthält, um solche Probleme zu vermeiden – darunter Antibiotika, die über einen längeren Zeitraum freigesetzt werden können. Dabei soll die Technik nicht nur kurz nach dem Einsetzen künstlicher Gelenke helfen, sondern auf Dauer – durch ein antibakterielles Polymermaterial.

Knie- und Hüftgelenksimplantate führen statistisch gesehen in einem Prozent aller Fälle zu Infektionen; der Wert nimmt bei einer zweiten Operation auf drei bis fünf Prozent zu. "Das klingt zwar nach wenig, aber wenn man einer von hundert Patienten ist, die betroffen sind, bekommt man es mit katastrophalen Komplikationen zu tun", sagt Lloyd Miller, Dozent für orthopädische Chirurgie an der University of California in Los Angeles.

Infektiöses Gewebe und betroffene Implantate müssen chirurgisch entfernt und durch antibakterielle Barrieren ersetzt werden. Die Patienten können anschließend sechs bis acht Wochen lang nicht laufen, während sie intravenös mit Antibiotika behandelt werden, um jegliche Spuren der Infektion zu beseitigen. Schließlich muss ein neues künstliches Gelenk eingesetzt werden. Solche Komplikationen sind nicht nur gefährlich, sondern für das Gesundheitswesen auch enorm teuer: In den USA kostet ein künstliches Gelenk beispielsweise rund 30.000 Dollar, während die Behandlung einer Infektion bis zu 120.000 Dollar verschlingt.

Die größte Gefahr geht von Bakterien aus, die den Körper zusammen mit dem Implantat erreichen. Es kann aber auch vorkommen, dass erst Jahre nach der Operation eine Infektion auftritt – dann nämlich, wenn Bakterien während einer Zahnbehandlung, einer Darmspiegelung oder anderen medizinischen Prozeduren in den Blutkreislauf gelangen. Orthopädische Implantate, die permanente antibakterielle Eigenschaften besitzen und zusätzlich noch eine Schicht aus Antibiotika, wären eine Möglichkeit, Patienten besser zu schützen.

Obwohl antibiotische Beschichtungen bereits für viele medizinische Geräte entwickelt wurden, erwiesen sie sich bei künstlichen Gelenken als große Herausforderung. Im Gegensatz zu Gefäßprothesen, die zumeist statisch an einem Ort verbleiben, müssen Gelenke flexibel bleiben. Die Beschichtung darf nicht zu dick sein und die Beweglichkeit nicht einschränken.

Paula Hammond, Professorin für Chemieingenieurwesen am MIT, setzt nun auf eine Polymertechnik, die sich Schicht-für-Schicht-Aufbau nennt. Dabei werden große Konzentrationen von Wirkstoffen in die Implantatbeschichtung eingebaut, ohne das Implantat selbst stark zu verdicken. Hammonds Gruppe erstellt diese Beschichtungen, indem Implantate abwechselnd in Lösungen eingetaucht werden, die negativ und positiv geladene Moleküle enthalten – zuerst in Wirkstofflösungen, dann in Polymerlösungen. Die unterschiedliche Oberflächenspannung hält die Moleküle nahe beieinander, ohne dass sie ineinander übergehen. Ergebnis ist ein Material, bei dem jede Schicht nur Dutzende Nanometer dick ist. Die Wirkstoffe werden freigegeben, sobald sich einer der Polymerbestandteile im Körper biologisch abbaut.

Die alternierenden Schichten aus Wirkstoffen und biologisch abbaubaren Polymeren haben viele Vorteile gegenüber einer Polymer-Wirkstoff-Mixtur, mit der Implantate bislang bestrichen werden. So liegt der Wirkstoffanteil bei bis zu 50 Prozent statt der üblichen maximal vier. Außerdem lassen sich die Beschichtungen auch bei niedrigen Temperaturen und in Wasser erzeugen, statt unter den harschen Bedingungen, die normalerweise in der Kunststoffverarbeitung herrschen. Das bedeutet, dass der Ansatz kompatibel mit einer ganzen Reihe empfindlicher Moleküle wäre, darunter Proteinmedikamente und therapeutische RNA.

"Was diese Technik von anderen absetzt, ist die Möglichkeit, verschiedene Wirkstoffe hintereinander freizusetzen – und das kontrolliert", sagt Myron Spector, Professor für orthopädische Chirurgie an der Harvard Medical School. Patienten mit einem problematischen Gefäßsystem, das das Knochenwachstum einschränkt, könnten ebenfalls von den antibiotischen Beschichtungen profitieren – etwa mit zusätzlichen Medikamenten, die das Knochen- und Blutgefäßwachstum anregen.

Die permanente untere Schicht aus antibakteriellem Polymer, auf der Hammond ihre Konstruktion aufbaut, wurde ursprünglich von Alexander Klibanov entwickelt, einem Professor für Chemie am MIT: "Sobald diese Polymere auf einer Oberfläche präsent sind, sterben Bakterien bei Berührung ab. Das Material zerstöre die Zellmembranen: in einer Lösung aus Staphylokokken, die unbehandeltes Material in einer Stunde besiedelten, blieb ein mit Hammonds Schichten behandeltes Klibanov-Polymer zwei Wochen lang bakterienfrei – selbst nachdem alle Wirkstoffe freigegeben wurden.

Spector arbeitet mit Hammond nun an ersten Tierversuchen und hofft, demnächst zeigen zu können, dass die Technik die Infektionsgefahr deutlich reduzieren kann. Experte Miller von der University of California gibt allerdings zu bedenken, dass es noch viele unbekannte Faktoren gibt. Dazu gehört, dass noch nicht klar ist, wie lange die einzelnen Medikamente freigegeben werden sollten. Weitere Tests sollen das klären. (bsc)