Schlaue Reklame

Der Chip-Riese Intel arbeitet an digitalen Werbetafeln, die demografische Daten der Kunden erfassen können.

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Von
  • Kate Greene

Der Chip-Riese Intel arbeitet an digitalen Werbetafeln, die demografische Daten der Kunden erfassen können, die sie anschauen.

Immer mehr multimediale Reklameelemente begegnen Otto-Normal-Verbraucher auf seinem Weg durch Supermärkte und Kaufhäuser. Sie zeigen ständig neue Werbebotschaften und Videos, um den Konsumenten zum Kauf zu animieren.

Bislang lässt sich die Leistungsfähigkeit der noch immer verhältnismäßig teuren Reklamemethode jedoch kaum nachweisen. Aufgrund solch fehlender solider Daten hat es die Werbemittelindustrie besonders in Krisenzeiten schwer, die Technik an den Kunden zu bringen. Der Chip-Riese-Intel will nun helfen: mit seiner kürzlich erworbenen Tochter CognoVision hat er eine Gesichtserkennungssoftware entwickelt, die das Geschlecht und das ungefähre Alter von Personen ermitteln kann, die vor einer digitalen Werbetafel stehen. Über kostengünstige integrierte Kameras soll sich so feststellen lassen, ob Werbung bei den Kunden wirklich ankommt. In späteren Versionen könnte die Software Reklame sogar automatisch an die Kundschaft anpassen.

Intels zuständiger Abteilungsdirektor Jose Avalos rechnet damit, dass das CognoVision-System bereits im nächsten Jahr in ersten großen Ladengeschäften in den USA eingesetzt werden könnte. Der Chip-Riese interessiert sich seit gut zwei Jahren intensiver für die elektronische Werbetechnik. "Als wir damit angefangen haben, gab es noch einen sehr fragmentierten Markt", sagt Avalos. Im letzten Januar taten sich deshalb Intel und Microsoft zusammen, um eine gemeinsame Plattform für "smarte" digitale Schilder zu schaffen, die auf Windows-Software und Core i5- und i7-Prozessoren basiert. Im November kam dann auch der japanische NEC-Konzern hinzu, der ein eigenes Content-Management-System für Displaysysteme beisteuerte.

Mit dem Kauf von CognoVision investiert Intel nun deutlich mehr Ressourcen in die analytische Seite der Technik. "Was wir brauchen, sind Zahlen und Hintergrunddaten, wie effektiv solche smarten Werbemittel wirklich sind", sagt Avalos. Das könne dann dabei helfen, den Markt zu erschließen.

Momentan existierten 2,4 Millionen große digitale Werbetafeln im Out-of-Home-Media-Bereich in den USA, erläutert Chris Connercy, Analyst für den Bereich kommerzielle Bildschirmtechnik beim Marktforschungsunternehmen DisplaySearch. Bis 2016 werde sich die Anzahl auf 9,2 Millionen vervierfachen. "Das ist einer der am schnellsten wachsenden Bereiche im Flachbildschirmsegment." Derzeit versuchten deshalb viele Firmen, den Markt zu knacken. Aus den alten Plakatwänden sollen zunehmend digitale Versionen werden. "Doch das schlagende Argument in dieser Industrie ist die Messbarkeit. Und die versucht man bei Intel gerade zu erreichen."

Die Technik von CognoVision setzt auf Bilderkennungsalgorithmen, die Gesichtsmerkmale unterscheiden können. Daraus lassen sich dann demografische Daten gewinnen. Erfasst wird jede Person, die auf die Tafel schaut. Die Software sammelt Informationen über Größe und Form der Gesichtszüge. Diese werden dann mit einer Datenbank in Übereinstimmung gebracht, die Vergleichsmaterial enthält. So ergeben sich dann Geschlecht und ungefähres Alter der Personen. Nur diese Werte würden dann auch gespeichert, betont Avalos. "Wir haben von vorneherein klargemacht, dass wir den Schutz der Privatsphäre sicherstellen."

Die Genauigkeit des Systems ist dennoch beeindruckend: Zwischen 85 und 95 Prozent liegt die Trefferquote. Das hänge aber vom Markt ab, in dem das System genutzt wird, sagt Avalos. Die Datenbank muss zudem zunächst an lokale Gegebenheiten angepasst werden.

Die relativ simple demografische Erkennung ist aber nur der Anfang, heißt es bei Intel. Avalos glaubt, dass das System in einigen Jahren auch einzelne Gesichter erkennen wird. Dies werde dann aber auf strikter "Opt-in"-Basis stattfinden, also nach Anmeldung durch die Nutzer. Dann könnte ein Stammkunde, der einen Supermarkt betritt, gleich identifiziert werden – und bekäme dann beispielsweise Rabatte an der Kasse oder digitale Coupons auf sein Handy überspielt.

Recht bald implementiert werden soll auch eine Erfassung des Kundenverhaltens. "Wenn man mehrere Werbespots hat, die den Kunden in bestimmte Richtungen im Laden lenken, könnte man erfassen, ob er wirklich darauf eingeht", sagt Ashley Flaska, Marketing-Vizepräsidentin bei NEC Display Solutions. Die Interaktivität solcher Werbetafeln sei ein wichtiges Element.

Prysm, ein weiteres Start-up in diesem Sektor, hat Bildschirme für den Flagship-Store der amerikanischen Modekette American Eagle in New York entworfen. Dort arbeitet man an der Vernetzung von interaktiven Displays mit den im Laden vorhandenen Produkten. Der Kunde kann dann beispielsweise einen Gegenstand hochhalten und erhält weitere Informationen. "Ich nehme mir eine Jeans und die digitale Werbetafel erklärt mir dann, was daran so besonders ist oder zeigt mir einen Spot, in der jemand sie trägt", sagt Dana Corey von Prysm.

Intel-Mann Avalos hofft ebenfalls auf mehr Interaktivität. Aus einem Werbedisplay für mehrere Kunden würde so ein "One on One"-Erlebnis, glaubt er. Dabei sieht man bei dem Chip-Riesen verschiedene Möglichkeiten – von berührungsempfindlichen Bildschirmen über die Integration von Smartphones bis hin zur Gestenerkennung. Natürlich erfasst das System parallel weiter demografische Daten. (bsc)