Jugendmedienschutz 21

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Herbert Braun

Jugendmedienschutz 21

Wie viele, die im Web aktiv sind, habe ich die geplante Neuregelung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags mit großer Sorge und zeitweise mit Zorn gesehen. Ich sollte für meine Website eine Altersklassifizierung vornehmen? Für jeden einzelnen Beitrag darauf? Nach welchen Kriterien? Und was war das für ein Blödsinn mit den Sendezeiten?

Als klar wurde, dass der Neuentwurf überraschenderweise scheitern würde, hätte ich eigentlich in Party-Laune geraten müssen. Da hatte sich in letzter Minute also doch noch die Vernunft durchgesetzt.

Mit Vernunft hat die Ablehnung des Vertrags aber gar nichts zu tun: Gescheitert ist er an parteipolitischen Machtspielchen. Nach über zwei Jahren Vorbereitung platzte das Abkommen zwei Wochen vor dem geplanten Inkrafttreten. Der JMStV ist das Stuttgart 21 der Netzpolitik geworden: lange Anlaufphase im Verborgenen, fragwürdiges Konzept, schlampige Umsetzung, dann plötzlich hektische Debatten und politischer Flurschaden - ein Musterbeispiel für fehlende Kompetenz bei den Entscheidungsträgern, aber auch bei der kritischen Öffentlichkeit, die viel zu spät in die Diskussion eingegriffen hat.

Auch über die Entscheidung selbst, unabhängig von ihrem Zustandekommen, kann ich mich nicht recht freuen. Sie bedeutet nämlich: Der alte JMStV von 2003 bleibt weiter gültig. Von ihm hat man bisher kaum je gehört, weil er für Websites völlig praxisfremd ist. Wenn die Inhalte auf Ihrer Website nicht für 13-Jährige geeignet sind, müssen Sie tagsüber den Stecker ziehen oder das Alter jeden Nutzers per Ausweisnummer herausfinden. Das wussten Sie nicht? Kein Wunder, denn niemand wollte diesen Quatsch im Zeitalter von YouPorn ernsthaft durchsetzen. Bisher jedenfalls: Die Aufregungen der letzten Wochen dürften manchen schlafenden Hund geweckt haben.

Hinter den Kulissen werden schon die Strippen für einen Neuentwurf gezogen. Vielleicht wird es wieder zwei Jahre dauern, und wahrscheinlich wird wieder etwas herauskommen, was die Netzgemeinde aufbringt. Dabei wäre es eine gute Gelegenheit, um endlich einzusehen: Die Idee, das Internet zu einem deutschen Kindergarten zu machen, wird niemals funktionieren.

Bei Kindern sind Whitelist-Lösungen sicher sinnvoll. Jugendliche dagegen haben oft bessere IT-Fähigkeiten als ihre Eltern. Sie werden sich nicht "schützen" lassen wollen und allen technischen Sperren zum Trotz immer wieder Inhalte aufspüren, die Eltern und Pädagogen die Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Die ununterbrochene Berieselung durch Informationen, Unterhaltung und Spiele stellt auch Erwachsene vor eine gewaltige Herausforderung. Statt Sperren jedweder Art braucht es daher Investitionen in Medienkompetenz - denn die hilft auch dann noch, wenn die Jugendlichen von heute 18 sind. (heb)