Datenanalyse entlarvt "Schummelkultur" in medizinischen Studien

Weltweit arbeiten Medizinstatistiker daran, in klinischen Studien Scheinargumente von soliden Beweisen zu trennen. Ihre Ergebnisse haben dabei eine Schummelkultur großen Stils zutage gefördert, berichtet Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe.

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Medizinstatistiker haben medizinische Veröffentlichungen überprüft, um zu ermitteln, welche Medikamente und Therapien wirklich helfen – weil deren Wirkung durch aussagekräftige und belastbare Daten untermauert werden kann. Doch eine saubere Bewertung der Wirksamkeit ist aufgrund der Datenlage oft gar nicht möglich, weil die Hersteller oft klinische Tests mit ungünstigem Ergebnis zurückhalten oder durch statistische Tricks die Medikamente besser dastehen lassen, als sie tatsächlich sind.

Die erste umfassende Übersicht mit Fallbeispielen für die verbreitete Praxis, unangenehme Studiendaten selektiv zu verschweigen, haben Arzneimittelprüfer des Kölner Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen im Oktober 2010 veröffentlicht. "Vergleicht man die unpublizierten mit den publizierten Daten, so zeigen sich große Ergebnisunterschiede. Die publizierten Studien neigen dazu, die Wirksamkeit zu über- und die Nebenwirkungen zu unterschätzen", resümieren die Prüfer.

Diese Gepflogenheit, Informationen durch Verschweigen zu beeinflussen oder undurchsichtig zu präsentieren, bezeichnet man in der Wissenschaft als "biased reporting". Rechnet man die Ergebnisse von Stichproben hoch, dann müsse man 50 bis 90 Prozent der heute als erprobt geltenden ärztlichen Interventionen "mit großen Fragezeichen" versehen, heißt es in der Studie. "Nimmt man all die Indizien zusammen, die wir heute haben, um das Ausmaß der Verfälschung abzuschätzen, dann liegt der Schluss nahe, dass die Ärzte ihre Patienten im Blindflug behandeln", so Gerd Antes, Professor für Biometrie in Freiburg, in der Januar-Ausgabe des Magazins Technology Review (ab dem 23. 12. am Kiosk oder ab sofort online bestellbar ). (wst)