Themenmolekül: Blaue Stunde auf dem Mars

Glasers gesammelte Linkwolke aus der Welt der Wissenschaft und Technologie. Heute: Sex & Science (mit 3D!), Popmathematik und eine Datenbank negativer Experimentierergebnisse.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Peter Glaser

Auf meinen Expeditionen durch das Netz finde ich immer wieder bemerkenswerte Informations-Atome, die sich zu Themenmolekülen verbinden. Gelegentlich möchte ich an dieser Stelle solche Link-Gravitationswolken aus der Welt der fröhlichen Wissenschaft vorlegen. Diesmal unter anderem: Sex & Science (mit 3D!), Popmathematik, eine Datenbank negativer Experimentierergebnisse sowie eine Antwort auf die Frage, weshalb Sonnenuntergänge auf dem Mars blau sind.

Ein Kessel Dreidimensionales: Zur Jahreswende wollen wir nochmal in die Tiefe gehen – 3D-Anblicke verschiedener Art (statisch als auch dynamisch) sollen das Bild abrunden. Im NASA Stereo Learning Center ist dazu als erstes zu erfahren, wie man sich selber eine 3D-Brille bastelt. The Paper Project ist eine Quelle für interessantes Betrachtungsmaterial in 3D. Wie man 3D-Brillen-Kekse bäckt, ist drüben bei Diamonds for Dessert nachzulesen. Hier der 16. Präsident der Vereinigten Staaten, Abraham Lincoln, und zwar stereoskopisch. Mit einer Rot-Blau-Brille lassen sich die Walhaie in diesem Video aus dem Georgia Aquarium in Atlanta plastisch verfolgen. Hier 3D-Fotos, die sich ohne Brille, dafür mit ein wenig Augengymnastik betrachten lassen. Eine lange Liste von Animationen, die YouTube bei der Suche nach Anaglyphen (Stereogrammen) ausspuckt. Auch auf Vimeo gibt es sehenswerte räumliche Videos, etwa eden von Tobias Keith und Christopher Keller, die Darstellung einer Stadt, die sprichwörtlich im Himmel liegt.

Die fürchterlichsten Forscher aus Filmen: Zehn der nach Meinung von toptenz.net besten respektive irrsten Mad Scientists im Kino – von den Herren Doktoren Frankenstein, Caligari und Strangelove über den zukunftszurücken Doc Brown bis zu Austin Powers Kontrahenten Dr. Evil (aka Dr. Nongoogle).

Jahreswende ist Listenzeit: Zehn der größten Mathematiker aller Zeiten, von Pythagoras, Newton, Leibnitz und Leonardo Pisano Blgollo (besser bekannt als Leonardo Fibonacci) bis hin zu Andrew Wiles, der 1994 die Fermatsche Vermutung beweisen konnte.

Alles falsch: Fünf Studenten an der Universität von Colorado helfen Forschern mit einer Datenbank negativer Ergebnisse bei der konstruktiven Entwicklung von Experimenten und der Vermeidung von Sackgassen und Wiederholungen. Von allen durchgeführten Untersuchungen und Experimenten sind etwa 60 Prozent der Ergebnisse negativ – aber nur 10 Prozent der publizierten Ergebnisse sind negativ. Viele der negativen Ergebnisse werden nicht veröffentlicht und gehen verloren. Diese Lücke wollen die Initiatoren der CU Database of Negative Results nun schließen und Forschern damit doppelte Experimente oder das Beschreiten falscher Wege ersparen.

Fast vergessen: Das hübsche Ancient Book of Sex And Science zeigt, unter anderem, auch Vergnügliches vermittels 3D-Brille. Die Illustrationen in dem Buch stammen von vier "obszön talentierten Pixar-Animatoren", wie ein Rezensent es nennt, nämlich von Nate Wragg, Scott Morse, Lou Romano und Don Shank, die erfolgreich versuchen, die goldene Zeit der Wissenschaftsbücher in den 50er und 6ßer Jahren wieder aufleben zu lassen.

Geometrisches Multiplizieren: Eine verblüffende japanische Multiplikations-Methode mit Linien und Punkten. Beim Zuschauen raucht einem erst ein wenig der Kopf, aber wenn man sich an die Instruktionen in dem Video hält, ist es plötzlich (wie vieles in Japan) ganz einfach.

Blaue Stunde auf dem Roten Planeten: Dass Sonnenuntergänge auf dem Mars blau sind, nicht rot, zeigt dieses beeindruckende Video, aufgenommen vom 4. auf den 5. November 2010 von dem getreuen Mars-Rover Opportunity. Mars ist bekanntermaßen der rote Planet. Der Rost in dem Staub auf seiner Oberfläche verleiht ihr ein rötlich-braunes Aussehen; man würde erwarten, dass diese Farbe einen Sonnenuntergang dominiert. Aber wie zu sehen ist, glüht die Sonne in einem kühlen Blau. Auf der Erde streuen die Partikel in der Atmosphäre blaues Licht, auf dem Mars passiert genau das Gegenteil. Der rote Staub in der Atmosphäre streut rotes Licht, sodass ein Besucher einen rötlichen Himmel sehen würde. Die roten Wellenlängen werden aus der direkten Lichteinstrahlung der Sonne gefiltert, sodass Licht am bläulichen Ende des Farbspektrums vorherrscht. So erscheint die Sonne auf dem Mars blau.

Orientierung mit Klötzchenhilfe: Wie man einen Kompaß aus Lego baut – und zwar ohne Magneten! –, zeigt dieses aufschlußreiche Video. Die alten Chinesen kannten den Trick schon vor 4500 Jahren.

Rückspiegelgeometrie: Für Leute, die mehr wollen als Duftbäumchen, Wackel-Elvisse oder Minifußbälle, die im Auto vom Rückspiegel baumeln, hier eine anspruchsvolle geometrische Anregung: zwei knuffige Dekaeder – jeweils zehnflächige Körper –, um genau zu sein: pentagonale Trapezoeder, also Dekaeder aus Drachenvierecken, die man sich mit Hilfe der ausführlichen Anleitung drüben bei Evil Mad Sientist einfach selberbasteln kann.

Popmathematik: Der 14-jährige Spencer Tweedy hat diese Parodie auf den Song "Single Ladies" von Beyoncé für den Matheunterricht geschrieben. Die Version gibt sehr clever Auskunft über einige grundlegende mathematische Konzepte wie Linien, Steigungen und Zahlen. Außerdem ist sie ein Ohrwurm.

Jede Stadt ist anders: New York, Kalkutta und Rom unterscheiden sich in Bezug auf Anlage, Populationsdynamik und Wirtschaft – aber sind sie eventuell ähnlich genug, dass sie mathematisch beschrieben werden können? Gibt es vielleicht Gleichungen, auf die alle Städte – von Kleinstädten bis hin zu ausufernden Megacities – gleichermaßen angewendet werden können? Der Physiker Geoffrey West wollte das herausfinden: "Ich hatte dieses Gefühl, dass bei der Gestaltung einer Stadt eine Reihe verborgener Gesetze mitwirkt". Nach langen Analysen von Stadt-Daten entdeckten West und sein Kollege Luis Bettencourt, dass Städte eigentlich mathematische Objekte sind. (bsc)