Wie ein Fisch in der Luft

Mit Hilfe von Leichtbaumaterialien und einer ausgeklügelten Konstruktion hat Honda einen kleinen Jet entwickelt, der deutlich effizienter als vergleichbare Flugzeuge ist.

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Von
  • Kevin Bullis

Mit Hilfe von Leichtbaumaterialien und einer ausgeklügelten Konstruktion hat Honda einen kleinen Jet entwickelt, der deutlich effizienter als vergleichbare Flugzeuge ist.

Honda ist den meisten bislang als Hersteller von Autos und Motorrädern bekannt. Nun steigt der japanische Konzern auch ins Luftfahrtgeschäft ein: mit einem kleinen Jet, der 20 Prozent weniger Kerosin als vergleichbare Flugzeuge braucht und dabei noch schneller und leiser ist. Ein Prototyp des sechssitzigen Jets hat bereits erfolgreich einen ersten Testflug absolviert.

In der Konstruktion des Flugzeugs setzt Honda konsequent auf Kompositwerkstoffe aus Kohlefasern und Kunstharzen, die das Gesamtgewicht verringern. Während derartige Materialien in Modellflugzeugen schon lange verwendet werden, sind sie in der kommerziellen Luftfahrt noch eine Rarität. Doch auch Airbus und Boeing beginnen die Vorteile von Leichtbaumaterialien zu schätzen, um den Treibstoffverbrauch ihrer Jets zu reduzieren.

Die Gewichtseinsparung ist aber nicht der einzige Vorteil des Kunststoffs: Dank ihm lassen sich Rumpf und Flügeln mit einem geringeren Luftwiderstand formen. Zudem platzieren die Honda-Ingenieure die Triebwerke nicht unter den Tragflächen, sondern über ihnen nahe am Rumpf. Diese Position senke den Strömungswiderstand noch weiter, sagt Michimasa Fujino, CEO von Honda Aircraft, einer Tochterfirma von Honda Motor.

Bei herkömmlichen Business-Jets streicht die Luft nur über einen kleinen Teil der Oberfläche in einer so genannten laminaren, also glatten Strömung hinweg. Der größere Teil wird von turbulenten Luftströmungen umflossen, deren Verwirbelungen den Luftwiderstand erhöhen. Um die laminar umströmte Fläche zu vergrößern, baute Honda in Rumpf und Tragflächen kleine Ausbuchtungen ein, die eine „äußerst komplexe Druckverteilung“ erzeugen, wie Fujino es ausdrückt. Wenn die Luft über die winzigen Beulen streiche, werde sie erst schneller, dann langsamer und zuletzt wieder schneller, erläutert er. „Die damit verbundenen Druckänderungen saugen die laminare Strömung bis zur Spitze der Tragfläche“, sagt Fujino.

Laut Mark Drela, Luft- und Raumfahrttechniker am MIT, sind Kompositwerkstoffe auch deshalb besser für laminare Strömungen geeignet, weil sie eine glattere Oberfläche ermöglichen als zusammen genietete Aluminiumbleche. Mit diesen seien solche Ausbeulungen wie im Honda-Jet auch nicht hinzubekommen, fügt Fujino hinzu.

Bringt man die Triebwerke oberhalb der Tragflächen an, senkt dies den Strömungswiderstand vor allem bei hohen Geschwindigkeiten. Nähert sich nämlich ein Flugzeug der Schallgeschwindigkeit, erreicht die Luft auf den weiter innen gelegenen Abschnitten der Tragfläche bereits Überschallgeschwindigkeit. Der Luftwiderstand steigt dadurch drastisch an und resultiert in einer Kraft, die gegen die Flugrichtung gerichtet ist – dieses Phänomen wird in der Strömungslehre „Wellenwiderstand“ genannt. Indem die Triebwerke über den Tragflächen aufragen, verhindern sie dort die Entstehung des Wellenwiderstands. Auf diese Weise kann der Honda-Jet 780 Kilometer pro Stunde erreichen – 80 km/h mehr als herkömmliche Flugzeugkonstruktionen derselben Größe, und das bei geringerem Treibstoffverbrauch.

Auch das Triebwerk selbst hat Honda, gemeinsam mit General Electric, neu entworfen. In dem Antrieb nimmt das Verhältnis von komprimierter Luft vor und im Inneren der Turbine ungewöhnlich hohe Werte an, was die Effizienz der Maschine vergrößert. Dieser Effekt entspricht einer Erhöhung des so genannten Verdichtungsverhältnisses in Automotoren: also dem Verhältnis zwischen dem Volumen des Zylinderraums, bevor der Kolben den Kraftstoff verdichtet, und dem Volumen nach der Verdichtung.

Fujino schätzt, dass die neu positionierten und konstruierten Triebwerke sowie die Ausweitung der laminaren Strömungen je zur Hälfte zur Treibstoffeinsparung beitragen. Weil die Tragflächen einen Teil des Turbinenlärms abfangen, ist das Flugzeug auch noch rund 20 Dezibel leiser als vergleichbare Jets – eine gute Voraussetzung, um auf städtischen Flughäfen in Ballungsräumen wie Los Angeles zugelassen zu werden.

Im Prinzip ließen sich die neuen Konstruktionselemente auch auf größere Flugzeuge übertragen, versichert Fujino. Allerdings gebe es eine kritische Größe, ab der keine laminaren Strömungen mehr erreicht werden könnten. Oberhalb dieser Ausmaße umfließe die Luft dann die gesamte Maschine in einer turbulenten Strömung, bestätigt MIT-Ingenieur Drela. Ob Honda bereits Pläne für größere Jets schmiedet, will Fujino aber nicht verraten. (nbo)