Softwarepatente-Gegner fordern neue Verhandlungen im EU-Rat

Das Justizministerium hält im Gegensatz zu Lobbygruppen und EU-Parlamentariern auch nach den kritischen Anmerkungen Polens eine zweite Abstimmung in Brüssel derzeit nicht für nötig.

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Das Bundesjustizministerium geht auch nach den kritischen Anmerkungen Polens zum Streit um die Brüsseler Software-Patentrichtlinie davon aus, dass im EU-Rat nichts mehr neu entschieden wird. "Wir haben die polnische Website übersetzen lassen: Sie lässt keine eindeutigen Rückschlüsse auf das weitere Vorgehen Polens zu", erklärte ein Sprecher gegenüber heise online. Es sei allein von "Enthaltung" gegenüber der Ratsrichtlinie die Rede. Ansonsten will man sich in Berlin nicht auf "Was-wäre-wenn-Gedanken" einlassen und den Tag abwarten, an dem die Niederländer die Tagesordnung für die geplante Verabschiedung der Richtlinie festzurren. Bisher sei kein Fall bekannt, in dem eine zunächst gefundene politische Einigung im Rat später noch einmal neu diskutiert worden sei.

Die polnische Regierung hatte Anfang der Woche erklärt, dass sie den im Rat zunächst informell verabschiedeten Richtlinientext nicht unterstützen könne. Die österreichische Europaparlamentarierin Eva Lichtenberger lobt die entschlossene Haltung Polens: Die dortige Regierung habe die wichtige Entscheidung erst nach Beratungen mit Experten des eigenen polnischen Patentamts sowie mit Vertretern von Firmen wie Sun Microsystems, Novell, Hewlett-Packard oder Microsoft getroffen. Dabei sei man zu der Erkenntnis gekommen, dass der Vorschlag des Rats "jegliche Software" patentierbar machen würde. Im Gegensatz zur Bundesregierung geht Lichtenberger zudem davon aus, dass nun "die Tür für Neuverhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten offen ist". Schon im Rat könnten nun "wichtige Verbesserungen" an der Richtlinie vorgenommen werden, wie sie das EU-Parlament vorgeschlagen habe.

Auch Vertreter der Grünen haben die Entscheidung in Warschau begrüßt: "Ich hoffe, dass andere Länder rasch die Haltung Polens übernehmen und dem Richtlinientext nicht zustimmen, solange er nicht die Patentierbarkeit von Software und Geschäftsmethoden klar begrenzt", erklärte Magda Mosiewicz von den polnischen Grünen. Lobbygruppen wie der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) oder die Kampagne NoSoftwarePatents.com pochen ebenfalls darauf, dass der Rat das Fass noch einmal auf macht. Der IT-Branchenverband EICTA hat seine Hoffnungen dagegen auf die belgische Regierung gesetzt, die Polens neu bestärkte Enthaltsamkeit mit einem klaren Ja zur Ratsposition ausgleichen soll. Die Sache hat allerdings einen Haken: Belgien hat im Rat weniger Stimmen als Polen.

Hierzulande entpuppt sich das Thema Softwarepatente derweil als Politikum bei der Neuwahl des Präsidiums der Gesellschaft für Informatik (GI). Der Verein hat sich bisher deutlich für eine Anerkennung von Software als technischer Erfindung und damit für ihre grundsätzliche Patentierbarkeit ausgesprochen. In dieser öffentlichen Ansage fanden viele Mitglieder aber nicht ihre Haltung widergespiegelt. Hans-Josef Heck vom Verein Freie Software und Bildung hat daher eine Umfrage unter den Präsidiumskandidaten gemacht, wonach sich sieben klar gegen Softwarepatente ausgesprochen haben. Nur zwei waren dafür und einer zeigte sich unentschlossen. Die Ergebnisse können im Wahlforum der GI eingesehen werden, während die Geschäftsführung nicht bereit war, die Information den Mitgliedern kundzutun.

Zum Thema Softwarepatente siehe auch:

(Stefan Krempl) / (anw)