Open Access: EU-Konsultation zum wissenschaftlichen Publikationswesen

Eine Studie der Generaldirektion Forschung der EU-Kommission bemängelt die ineffizienten Marktmechanismen für die Verbreitung des Wissens.

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Von
  • Richard Sietmann

In die anhaltende Debatte über den für jedermann kostenfreien Zugang zu den Ergebnissen der öffentlich geförderten Forschung ("Open Access") hat sich mit einer jetzt veröffentlichten Studie zum wissenschaftlichen Publikationswesen nun auch die Europäische Kommission eingeschaltet. Die von der Generaldirektion Forschung in Auftrag gegebene ökonomische Analyse (PDF-Datei) bestätigt im Wesentlichen, was Kenner des Systems schon lange wissen: Dass sich auf dem Markt für Forschungsveröffentlichungen monopolartige Strukturen herausgebildet haben, bei denen einige Großanbieter die Preise und Konditionen für den elektronischen Zugang diktieren können. Die "Kundenbindung" durch die Paketvermarktung und Bündelpreise für die elektronischen Zugänge raubt Bibliotheken die Flexibilität, selektiv einzelne Journale zu beziehen oder abzubestellen und stellen für die Angebote kleinerer kommerzieller Verlage eine wirksame Markteintrittsbarriere dar. Die politisch Verantwortlichen, heißt es in der Studie, müssten die hohen gesellschaftlichen Kosten der Ineffizienz dieses Marktes zur Kenntnis nehmen, die sich nicht nur in den überhöhten Zeitschriftenpreisen mit der entsprechenden Belastung der öffentlichen Haushalte äußert, sondern auch die Verbreitung des Wissens und den wissenschaftlichen Fortschritt behindert – und dies zu einer Zeit, "in der die vom Internet eröffneten technischen Möglichkeiten das Potenzial zur dramatischen Verbesserung der Verbreitung bieten".

Das von Mathias Dewatripont von der Freien Universität Brüssel geleitete Autorenteam macht sich denn auch für die Entwicklung von Open-Access-Archiven stark, auf denen Forscher ihre Veröffentlichungen hinterlegen und wo sie für jedermann kostenfrei zugänglich sind. Das Team geht sogar so weit zu fordern, dass die europäische Forschungspolitik von den Empfängern ihrer Fördermittel verlangt, ihre Arbeiten "nach einer gegebenen Zeitspanne" in solch einem Open-Access-Archiv zu veröffentlichen. Eine derartige Verpflichtung hat als einzige Finanzierungseinrichtung weltweit bisher nur der britische Wellcome Trust in seinen Förderrichtlinien verankert; alle anderen Organisationen, die sich prinzipiell für Open Access einsetzen – wie beispielsweise das US-Bundesgesundheitsamt NIH, die staatlichen Research Councils (RCUK) in England oder hierzulande die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) – fordern die von ihnen geförderten Wissenschaftler lediglich zur Veröffentlichung in Open-Access-Journalen oder Open-Access-Archiven auf, ohne dies zur Bedingung für die Mittelvergabe zu machen.

Es sei im Interesse aller, "für das System der wissenschaftlichen Veröffentlichungen eine Form zu finden, die herausragende Forschungsleistungen voranbringt", meint der für Wissenschaft und Forschung zuständige EU-Kommissar Janez Potocnik und setzt auf harmonische Lösungen: "Wir möchten zusammen mit Lesern, Autoren, Verlegern und Finanzierungsstellen ein solches System entwickeln". Auch die von ihm vorgelegte Studie sieht Open Access nicht als alleinige Option, sondern eher als Korrektiv. Sie spricht sich für einen Wettbewerb der verschiedenen Geschäftsmodelle aus. Ob nun das traditionelle Abonnementmodell der Bibliotheken, Veröffentlichungsgebühren der Autoren oder Downloadentgelte der Leser das System finanzieren – alle drei Modelle hätten ihre Vor- und Nachteile. "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es zu früh, über die wünschbare Entwicklung Schlüsse zu ziehen – ob sie nun die Dominanz eines einzigen Geschäftsmodells oder die Koexistenz mehrerer betrifft".

Die EU möchte nun die Meinungen aller Beteiligten einholen und fordert zu Stellungnahmen auf. Interessenten können sie bis zum 1. Juni 2006 unter der Mailadresse rtd-scientific-publication@cec.eu.int einreichen. Parallel soll auf SINAPSE, der "Web-Schnittstelle" zwischen Europas Wissenschaftlern und Politikern, ein Forum zum Thema gehostet werden. Als nächster Schritt ist eine internationale Konferenz zum wissenschaftlichen Publikationswesen im Herbst geplant. (Richard Sietmann) / (jk)