Gates macht sich für Softwarepatente in Europa stark

Der Microsoft-Gründer hat sich in Brüssel für einen verstärkten Schutz geistigen Eigentums eingesetzt. Ein Expertengremium des EU-Parlamentes warnt dagegen vor einem unkontrollierbaren Patentsystem.

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Bill Gates hat sich in Brüssel im Rahmen seiner Europa-Tour im Lauf der Woche für einen verstärkten Schutz geistigen Eigentums auf dem alten Kontinent ausgesprochen. Die Leistungsfähigkeit der USA sei begründet in der "Stärke der Universitäten und dem Anreizsystem um Dinge wie Copyright oder Patente", betonte der Microsoft-Gründer auf dem Innovation Day seines Konzern am Donnerstag. Kein Hehl machte Gates daraus, dass der Patentschutz seiner Ansicht nach auch für Computerprogramme gelten müsse. "Wenn man einen neuen Software-Ansatz erfindet, sollte man auch einen Patentanspruch darauf haben", zitiert ihn der Online-Dienst EurActiv. Damit würde Wagniskapital angezogen.

Das europäische Patentsystem, in dem laut dem Europäischen Patentübereinkommen die Erteilung gewerblicher Schutzrechte auf Programme zur Datenverarbeitung "als solche" nicht gestattet ist, bezeichnete der Microsoft-Vorstandschef als "ein wenig beschwerlich in seiner Funktionsweise". Er beklagte auch die hohen Kosten für die Patenterteilung und die "Fragmentierung" des Patentwesens in Europa. Verbesserungen sind laut Gates machbar, wobei er sich etwa für das Gemeinschaftspatent aussprach. Der entsprechende Gesetzesvorschlag liegt allerdings im EU-Rat seit Jahren auf Eis, da sich die Mitgliedsstaaten nicht über die Zahl der Übersetzungen von Patentansprüchen einigen können.

Deutliche Fortschritte auf dem Weg zumindest zu einer vereinheitlichten Rechtsprechung in Patentstreitigkeiten hat derweil Anfang November eine 26-köpfige Gruppe hochrangiger Richter nationaler Gerichte mit Patentschwerpunkten erreicht, unter der auch Klaus Melullis von der Patentkammer des Bundesgerichtshofs (BGH) vertreten war. Die Rechtsexperten haben sich bei ihrem Treffen bei Venedig auf Verfahrensregeln (PDF-Datei) für einen Europäischen Gerichtshof gemäß der Vorgaben des umstrittenen European Patent Litigation Agreement EPLA geeinigt. Laut der verabschiedeten Blaupause sollen Anhörungen bei dem Gericht nicht länger als einen Tag dauern und Entscheidungen spätestens drei Monate danach schriftlich vorliegen. Anträge auf dringende einstweilige Verfügungen können nach dem Papier von nationalen Gerichten dezentral bearbeitet werden. Beobachter erwarten sich von den Vorgaben eine deutliche Beschleunigung der Patentgerichtsbarkeit sowie sinkende Verfahrenskosten.

Das Europäische Parlament hatte zuvor in einer Entschließung "erhebliche Verbesserungen" an dem vom Europäischen Patentamt (EPA) ausgearbeiteten Übereinkommen über Patentstreitigkeitengefordert. Konkret thematisiert die Resolution "die demokratische Kontrolle, die Unabhängigkeit der Justiz und die Kosten für Streitigkeiten". Kritiker des EPLA fürchten, dass mit dem Übereinkommen die Stellung des EPA gestärkt und seine weit gehende, Ansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" gewährende Vergabepraxis sanktioniert werden könnten.

Vor einer Verschlimmbesserung des europäischen Patentwesens und weiteren Angleichungen an die USA warnten am Donnerstag auch Experten bei einem Workshop des Ausschusses für Technikfolgenabschätzung im EU-Parlament. In dem Vorbericht (PDF-Datei) des STOA-Gremiums (Scientific and Technical Options Assessment) halten dessen Autoren fest, dass es in den vergangenen Jahren auch in Europa immer einfacher geworden sei, Patente zu erhalten. Die Kosten für Anträge seien gleich geblieben oder gesunken, während der Schutz der Monopolrechte immer stärker und ihre Durchsetzbarkeit immer einfacher geworden sei. Der "Boom" bei Patenten lasse sich etwa in der Computerindustrie nicht mehr mit einem verstärkten Hang der Firmen zur Innovation erklären, sondern mit ihrem Bedürfnis zur Anlage von "Patentdickichten" als eine Art "Versicherung" gegen rechtliche Schritte anderer Unternehmen.

Kritisch verweist das vorläufige Empfehlungspapier, dem ein Abschlussdokument im Sommer folgen soll, auf eine neunfache Wachstumsrate bei Patenten im Bereich Biotechnologie seit 1982 und einem sechsfachen Anstieg bei Schutzrechten im Sektor Informations- und Kommunikationstechnologie. Gleichzeitig geht der Blick der Autoren in die USA, wo sie eine wahre "Patentexplosion" ausmachen. Den Grund dafür sehen sie in einem dortigen Patentsystem, das "außer Kontrolle geraten ist" und keinen Schutz mehr für hochqualitative, echte Erfindungen biete.

Zugleich verweist der Bericht auf "allgemeine Bedenken", dass das gegenwärtige Patentsystem auf technologische Fortschritte und Herausforderungen nicht mehr geeicht sei. Die Open-Source-Bewegung habe deutlich gemacht, dass Innovation auch ohne Patente möglich sei. Kürzere Schutzperioden sowie billigere und schnellere Patentverfahren seien daher erforderlich für Produkte mit einem kurzen Lebenszyklus. Andererseits müssten Erfindungen, die nur mit hohem Forschungs- und Entwicklungsaufwand voranzutreiben sind, länger geschützt werden. Zudem dürfte es nötig sein, die "negativen Auswirkungen der Patentgesetzgebung durch verschiedene Schutzbegrenzungen zu verringern".

Einen Anlauf dazu hat das Britische Berufungsgericht jüngst mit einer richtungsweisenden Entscheidung gemacht, in dem es sich gegen Softwarepatente stemmt und ein mehrstufiges Prüfverfahren aufstellt zur Unterscheidung von Schutzansprüchen auf reine Datenverarbeitungsverfahren und auf Erfindungen, bei denen unter dem Einsatz eines Computerprogramms technische Effekte auf die physikalische Welt bewirkt werden. Das entsprechende Urteil hat das Britische Patentamt inzwischen zum Anlass genommen, um seine künftige Entscheidungspraxis zu erläutern. Von großen Änderungen an der bisherigen Praxis geht es dabei nicht aus. Auf jeden Fall seien die Bedenken des Berufungsgerichts auch an das EPA weitergeleitet worden.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (uk)