Neuer Personalausweis: Von Holperstrecken und vom Bürgersafe

Was Experten auf einer E-Government-Veranstaltung in Bremen zu berichten hatten, deutet darauf hin, dass die Schwierigkeiten beim Ausgabestart noch lange nicht das Ende der Probleme für den elektronischen Personalausweis bedeuten.

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Von
  • Detlef Borchers

Während der Bremer E-Government-Veranstaltung in medias res wurde der neue Personalausweis (nPA) kontrovers diskutiert. Was die Beteiligten zu berichten hatten, deutet darauf hin, dass noch längst nicht die Holperstrecke des Ausgabestarts überwunden ist.

Für Jens Fromm vom Fraunhofer Fokus und seinem Kompetenzzentrum Personalausweis ist der nPA auf einem guten Wege. Nach seiner Auskunft sind fünf Basis- sowie ein Standard-Kartenleser vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert und verfügbar. Ein Komfort-Kartenleser werde gerade zertifiziert. Zwei Certificate Authorities, die die Berechtigungszertifikate für Behörden und Firmen zum Zugriff auf den nPA vergeben, seien gestartet. Drei Anbieter von eID-Serversystemen, acht Anbieter von eiD-Services sowie viele kleinere und größere Support-Firmen zeigen nach Aussage von Fromm, dass sich rund um den neuen Ausweis ein Ökosystem für die elektronische Identifikation (eID) entwickelt. Dass die AusweisApp einen "durchwachsenen Start" hinter sich habe und nur wenige Unternehmen online seien, bedauerte Fromm. Zur CeBIT werde sich die Situation deutlich verbessern.

Die CeBIT selbst ist für die Befürworter des neuen Personalausweises allerdings noch problematisch, erklärte Stephan Klein von bremen online services (bos). Seine Firma liefert mit Governikus Autent die Komponenten für das Ticketsystem der Deutschen Messe, damit wie angekündigt alle Besitzer eines nPA kostenlosen Zutritt zur Messe haben. Diese Regelung wird derzeit von Juristen überprüft, die wegen der sehr langen Wartezeiten auf den Ausweis Diskriminierungsklagen gegen das Eintrittsgeschenk befürchten. Klein berichtete, dass nach den aktuellen Zahlen 40 bis 50 Prozent der nPA-Besitzer die elektronische Funktion freischalten lassen. Halte der Trend an, könne sich ein attraktiver Markt für elektronische Identifikationsdienste bilden. Seine Firma hat bei der Kölner Vergabestelle für Berechtigungszertifikate die Genehmigungen für zwei Anwendungen eingeholt und nach drei Tagen die nötigen Urkunden erhalten.

Ab März will bos für Bremer einen "Bürgersafe" anbieten, in dem der elektronische Schriftverkehr mit den Behörden, aber auch elektronische Reiseunterlagen oder Scans von wichtigen persönlichen Unterlagen gespeichert werden können. Der Zugriff soll hauptsächlich anonym über das "dienste- und kartenspezifische Kennzeichen" des nPA (Pseudonymfunktion) erfolgen. Ein zweites bos-Projekt ist ein zusammen mit der Firma Wincor Nixdorf entwickeltes Selbstbedienungsterminal für den Umzug innerhalb von Bremen. Rund 80.000 Bürger ziehen nach Angaben von Klein jährlich innerhalb des Stadtstaates um und sollen die Adressänderung im Einwohnermeldeamt weitgehend eigenständig abwickeln. Die Sachbearbeiter im Meldeamt müssen dann nur noch prüfen, ob die neue Adresse korrekt vom Ausweischip gespeichert wurde und ein Etikett auf die Rückseite des nPA kleben, da kein neuer Ausweis produziert wird.

Der Informatiker Herbert Kubicek vom Institut für Informationsmanagement Bremen kritisierte die Befürworter des Ausweises. Der neue Ausweis biete keine einzige Anwendung, die nur mit der elektronischen Identifikation genutzt werden kann und dabei noch einen attraktiven Anreiz zum Umstieg auf den nPA biete. Kubicek berichtete zuerst von seiner Vergleichsstudie zur Nutzung elektronischer Ausweise in acht europäischen Ländern. Diese ergab, dass sich Ausweissysteme dort durchsetzen konnten, wo Banken als Diensteanbieter einbezogen wurden. Kubicek wies darauf hin, dass deutsche Banken beim nPA sehr zurückhaltend seien und weiter auf iTAN und mTAN setzten. Höchstens 20 Prozent der Bundesbürger werden nach der Prognose des Informatikers die elektronische Identifikation nutzen.

Kubicek betonte, dass der neue Ausweis nur dann erfolgreich sein kann, wenn es "niedrigschwellige Angebote" gibt, ihn einzusetzen. Außerdem sei der Gesetzgeber gefordert, die "Schriftformerfordernisse" deutlich abzusenken, damit der nPA eine Rolle in der Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden spielen kann. Auf die Frage, ob Ausländer von den Segnungen der elektronischen Identifikation profitieren können, verwies Fromm auf den elektronischen Aufenthaltstitel, der Mitte 2011 eingeführt und wie der nPA mit einem Chip ausgestattet werden soll. Für nichtdeutsche Europäer, die in Deutschland leben, soll es erste Überlegungen geben, eine eID-Karte anzubieten. Klein verwies darauf, dass die qualifizierte elektronische Signatur (QES) wohl im Sommer 2011 für den Ausweis verfügbar sein wird. Diese werde für Banken sehr wichtig werden, wenn in einigen Jahren Ersatzverfahren für TAN-Systeme benötigt werden. Zusammen mit einem drastischen Preisverfall bei der QES habe der Ausweis alle Chancen, sich im digitalen Alltag durchzusetzen. (anw)