Gravis: Die Probleme eines Apple-Händlers

Während Apple von Erfolg zu Erfolg eilt, hinkt der größte Handelspartner der Amerikaner in Deutschland, Gravis, seinen Zielen hinterher. Der Grund: Seit Jahren sucht Gravis-Chef Horlitz einen strategischen und finanzstarken Partner, findet aber keinen. Warum bloß nicht?

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Damian Sicking

Gravis-Chef Archibald Horlitz

Lieber Gravis-Chef Archibald Horlitz,

nach der Krankmeldung von Steve Jobs sank Apples Firmenwert zeitweilig um 20 Milliarden Dollar. 20 Milliarden Dollar! Kein Wunder, dass manche Leute meinen, Jobs sei bei Apple unersetzbar. Ob sie Recht haben? Kann doch nicht sein, oder? Ich meine, Sie kennen doch auch die sprichwörtliche Redensart "Jeder Mensch ist ersetzbar". Aber ist Jobs wirklich noch ein Mensch, oder nicht schon ein höheres Wesen? Der "iGod", wie ihn manche ehrfurchtsvoll nennen. Kann ja sein, so ein bisschen Jenseitiges hat er schon, wenn man ihn so sieht bei seinen öffentlichen Auftritten. Und manchmal habe ich den Eindruck, dass Apple für viele Anhänger und Jünger so etwas wie eine Religion ist. Nun gut, bis Jobs wieder gesund und bei Kräften ist, führt sein Stellvertreter Tim Cook die Geschäfte. Eine weitere Parallele: Auch der "richtige", also der Liebe Gott hat einen Stellvertreter; der sitzt in Rom und heißt Papst. Tim Cook ist quasi der Papst der Apple-Glaubensgemeinschaft.

Viele Leute fragen sich, ob Cook das Zeug hat, Apple durch diese Jobs-lose Zeit zu führen. Als größter Apple-Filialist in Deutschland kennen Sie Cook offenbar recht gut und halten große Stücke auf ihn. In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel vergangene Woche sagten Sie, dass Cook in den vergangenen Jahren einen "phantastischen Job“ gemacht habe und Apple ohne ihn nicht so stark gewachsen wäre. Ich selbst kenne Cook zwar nicht, aber eins steht für mich fest: Wäre er nicht eine überdurchschnittlich gute Spitzenkraft, hätte er sicher nicht so lange schon an der Seite seines als perfektionistisch geltenden Chefs Steve Jobs wirken dürfen.

Lieber Herr Horlitz, im Gegensatz zu Jobs sind Sie ja noch ein Mensch, und Gravis ist ein recht normales Unternehmen. Allerdings haben auch Sie einen Stellvertreter, einen "Gravis-Papst“ sozusagen. Oder sollte man besser sagen: Sie hatten einen? Denn wie gerade zu lesen war, wechselt Ihr langjähriger zweiter Mann Norbert Mohlberg zur Rewe-Gruppe und übernimmt dort die Verantwortung für ProMarkt. Hoffentlich finden Sie bald Ersatz für Ihn, damit es mit Gravis weiter vorwärts geht.

Aber so richtig vorwärts ging es mit Gravis in den vergangenen Jahren gar nicht. Auch so ein Unterschied zu Apple, das gerade das beste Ergebnis der Firmengeschichte vorgelegt hat. Bei Gravis dagegen scheint seit geraumer Zeit Sand im Getriebe zu sein. Gut, Ende vergangenen Jahres zeigten Sie sich nicht unzufrieden mit der Geschäftsentwicklung – Sie erwarteten mit 28 Filialen 170 bis 180 Millionen Euro Umsatz –, aber Hand aufs Herz, lieber Herr Horlitz: Eigentlich wollten Sie doch schon ganz woanders stehen.

Ende 2006, also vor rund vier Jahren, hatten Sie erklärt, dass Sie für die nächsten drei bis vier Jahre einen Umsatz von rund 200 Millionen Euro anstreben. Bereits 2007 sollte der Umsatz auf 130 Millionen Euro klettern, 2008 dann mindestens 170 Millionen Euro in die Kasse kommen. Doch es kam anders. Während Ihr Geschäftspartner Apple von Erfolg zu Erfolg eilte, musste Gravis kämpfen. Das Jahr 2008 fiel so schlecht aus, dass sogar Entlassungen für Sie kein Tabu mehr waren. Mit 125 Millionen Euro hinkten Sie auch im Jahr 2009 Ihren Umsatzplänen weit hinterher. Die Zahl der Gravis-Outlets stagniert seit Jahren. Bereits 2006 gab es in Deutschland 29 Gravis-Läden, so viele wie heute.

Wesentlicher Grund dafür, dass Gravis weit hinter seinen Möglichkeiten blieb: Es fehlt Geld bzw. ein finanzkräftiger strategischer Partner. Auch hier treten Sie seit Jahren auf der Stelle. Entweder Sie liebäugelten mit einem Börsengang, der dann nicht zustande kam, oder Sie suchten per Zeitungsinterview einen strategischen Partner. Im Jahr 2006 brachten Sie den Namen Douglas als Ihren Wunschkandidaten ins Gespräch. Ist aber auch nichts draus geworden. Zwischenzeitlich hatten Sie eine Allianz mit Karstadt probiert, die aber komplett in die Hose ging.

Vor wenigen Wochen erklärten Sie einmal mehr, dass Gravis viel schneller wachsen könnte, wenn Sie nur das dafür nötige Kapital hätten. Abermals betonten Sie, wie sehr Sie sich einen strategischen Partner wünschen, "der unser Wachstum unterstützt". Bis Ende kommenden Jahres, so Ihre Planung heute, soll das Gravis-Filialnetz auf 50 Shops ausgebaut werden. Dafür brauchen Sie natürlich Geld.

Lieber Herr Horlitz, man fragt sich, warum Sie sich seit Jahren so schwer tun, einen Partner zu finden. Gravis ist doch eine attraktive Firma mit grundsätzlich guten Wachstumsperspektiven. Meine Vermutung ist, dass es vor allem unterschiedliche Vorstellungen über den Wert Ihrer Firma sind, welche die Verhandlungen mit potenziellen Investoren immer wieder scheitern lassen. Schon 2006 – damals lag der Gravis-Umsatz bei rund 100 Millionen Euro Umsatz – hatten Sie im Zusammenhang mit einem möglichen Börsengang den Firmenwert auf mindestens 50 Millionen Euro taxiert. Das war vor vier Jahren. Seitdem ist der Umsatz auf 170 bis 180 Millionen gestiegen, Ihre Vorstellung davon, was ein Partner für eine Beteiligung oder Übernahme auf den Tisch legen müsste, haben Sie sicherlich ebenfalls nach oben angepasst. Wie hoch ist der Unternehmenswert von Gravis Ihrer Meinung nach heute? 70 Millionen Euro, oder 80 Millionen?

Finanzielle Unternehmensbewertungen sind schwierig. Am Ende ist es aber wie bei allen Sachen: Eine Firma ist so viel wert, wie ein anderer für sie zu zahlen bereit ist. Das ist meistens deutlich weniger als das Wunschdenken des bisherigen Eigentümers.

Beste Grüße

Damian Sicking

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