Digital Life Design: Openleaks will im Februar mit dem Test beginnen

"Die Idee von Wikileaks war einfach zu bestechend, als dass sie gleich im ersten Anlauf perfekt umgesetzt werden konnte", erklärte Daniel Domscheit-Berg, Ex-Wikileaks-Sprecher und Gründer der Whistleblower-Plattform Openleaks.

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Von
  • Detlef Borchers

Daniel Domscheit-Berg auf der DLD 2011

(Bild: heise online / Detlef Borchers)

Die Whistleblower-Alternative zu Wikileaks, Openleaks, hat sechs kleinere Partner gefunden, mit denen im Februar mit dem Test der Tools begonnen wird. In wenigen Monaten soll auch die Openleaks-Stiftung soweit in trockenen Tüchern sein, dass Openleaks-Aktivisten ihre Auslagen ersetzt bekommen. Darüber hinaus will sich Openleaks für einen juristischen Schutz von Whistleblowern engagieren. Dies kündigte Daniel Domscheit-Berg, der Frontmann von Openleaks, auf der DLD-Konferenz in München an.

Digital, Life, Design, die Konferenz der Hubert Burda Media, wird von vielen Teilnehmern als Aufwärmübung für das World Economic Forum in Davos gesehen. Dort stößt die Weltpolitik hinzu und Big Business gibt sich die Ehre, dort sind die zahlreichen Internet-Entrepreneure eher eine Minderheit. Auch der Openleaks-Aktivist Daniel Domscheit-Berg machte in München Zwischenstation, um im vollbesetzten Saal seine Vision von Whistleblowing 2.0 vorzutragen: "Die Idee von Wikileaks war einfach zu bestechend, als dass sie gleich im ersten Anlauf perfekt umgesetzt werden konnte." Passend zum Konferenz-Motto "Update your Reality" erklärte Domscheit-Berg das Whistleblowing für eine natürliche Form des Realitäts-Updates.

Domscheit-Berg stoppte auf dem Weg zur Davoser Gegenkonferenz Public Eye, auf der auch von Web-Teilnehmern das übelste Unternehmen der Welt in freier Abstimmung ausgezeichnet wird. Kurzfristig wurde Domscheit-Berg darum auch vom World Economic Forum eingeladen, was ihm durchaus behagt: Für die Stiftung, die Openleaks tragen soll, will er die Philanthropen aller Länder vereinigen. Im Unterschied zu Wikileaks, das mit der Wau Holland-Stiftung nur einen Spendenkanal betreibt, soll die Openleaks-Stiftung klassisch finanziert sein und von ihren Zinsen die Aktivisten bezahlen.

Befragt, ob die Tools, die Openleaks entwickelt, als Open Source nicht von anderen für finstere Zwecke verwendet werden können, verwies Domscheit-Berg darauf, dass die Debatte über die Nutzung solcher Tools von der Gesellschaft geführt werden müsse. Er verwies darauf, dass Whistleblower in Deutschland anders als etwa in den USA keinen Schutz genießen. Die juristische Unsicherheit führt gewissermaßen ähnlich wie in der Debatte über die Hacker-Tools dazu, dass Tools überhaupt als gefährlich charakterisiert werden. Domscheit-Berg nutzte seinen Auftritt dazu, sich von der "radikalen Transparenz" zu distanzieren, die ein Facebook-Manager in einer Diskussionsrunde verkündet hatte. Die Forderung nach Transparenz beziehe sich bei Openleaks auf Staat und Wirtschaft (und auf die Strukturen von Openleaks selbst), habe aber nichts mit der Aufgabe jeglicher Privatsphäre zu tun. Im Unterschied zu Wikileaks konzedierte der Aktivist, dass Diplomatie im engen Rahmen Geheimhaltung braucht, diese aber in offener demokratischer Diskussion eng definiert werden könne.

Nach seinem Auftritt wird Domscheit-Berg in die Schweiz reisen, wo heftig über einen Julius-Bär-Banker diskutiert wird, der Daten-CDs an Wikileaks übergeben hat. Weit weniger Aufregung verursachte die Verurteilung von zwei Mitarbeiterinnen des Zürcher Sozialamtes wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. Sie hatten der Weltwoche Daten zugespielt, die mehrere Fälle von Sozialhilfemissbrauch dokumentieren sollten und waren als Whistleblowerinnen nach der Veröffentlichung einer Artikelserie im Februar 2007 enttarnt worden. Für ihre Taten erhielten sie den Bürgerrechtspreis "Prix Courage"; in erster Instanz wurden sie freigesprochen. Nun entschied das Obergericht, dass ein Rechtsbruch erfolgte, auch wenn innerhalb des Amtes ein Klima herrschte, in dem Beschwerden nicht erfolgsverprechend waren und den Mitarbeiterinnen sofort gekündigt wurde: Auch die Schweiz kennt keinen Schutz von Whistleblowern; man arbeitet seit Jahren an einer Verbesserung.

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(jk)