Schildbieterstreich

Wenn das Höchstgebot kurz vor Ende einer eBay-Auktion plötzlich purzelt, haben wahrscheinlich gewiefte Abzocker die Möglichkeit genutzt, Gebote zurückzuziehen. Leider unterbindet eBay diesen Missbrauch nicht wirksam.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 23 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Axel Kossel
Inhaltsverzeichnis

Bettina F. versuchte bereits zum zweiten Mal, ihr gebrauchtes iPhone auf eBay zu verkaufen. Die erste Auktion hatte ein Spaßbieter gewonnen, der nicht bezahlte. Dieses Mal schien es besser zu laufen: Eine knappe Stunde vor Auktionsende stand das Gebot zwar mit 630 Euro schon verdächtig hoch, aber der Höchstbieter wies makellose Bewertungen auf – ganz anders als der Spaßbieter beim ersten Mal.

Umso erstaunter war F., als sie nach Auktionsende aus einer E-Mail von eBay erfuhr, dass ihr iPhone für nur 430 Euro verkauft wurde – deutlich unter Marktwert. Tatsächlich war das 200 Euro höhere Gebot aus der Liste verschwunden; der Bieter hatte es 20 Sekunden vor Auktionsende wegen eines angeblichen Tippfehlers zurückgezogen. Dadurch wurde der bislang Zweite mit 430 Euro zum Höchstbieter und blieb es bis zum Schluss.

Zunächst konnte F. keine Hinweise darauf finden, dass die Auktion gezielt manipuliert worden war. Erst als sie die Gebotsübersicht aufrief, ohne bei eBay angemeldet zu sein, erfuhr sie interessante Einzelheiten: Der abgesprungene Höchstbieter hatte in den letzten 30 Tagen insgesamt 40 Gebote zurückgenommen. Die Überprüfung des Auktionsgewinners ergab 38 Gebotsrücknahmen. Außerdem hatte einer bereits zwei Mal beim anderen gekauft.

Es lag also nahe, dass entweder derselbe Bieter zwei Accounts benutzte oder zwei Bekannte zusammenarbeiteten. F. konfrontierte den Käufer damit und erklärte ihm, dass sie sich unter diesen Umständen nicht an den Kaufvertrag gebunden fühle. Der antwortete freundlich und akzeptierte die Absage.

Die Masche, mit der Bettina F. hereingelegt wurde, heißt Gebotsabschirmung (Bid Shielding). Angenommen für einen Artikel, der etwa 300 Euro bringen wird, liegt das Höchstgebot eine Stunde vor Auktionsende erst bei 200 Euro. Der Abzocker bietet über Account A 400 Euro. Das Höchstgebot steigt dann einen Bietschritt über das bisherige, also auf 201 Euro. Sofort legt er über Account B mit 500 Euro nach. Damit führt B mit 401 Euro. Dieser Preis ist so hoch, dass sich kein anderer Bieter mehr für die Auktion interessiert.

eBay erlaubt dem Bieter aber, sein Gebot nach höchstens einer Stunde wieder zurückzunehmen, auch wenn die Auktion dann schon fast zu Ende ist. Das soll verhindern, dass jemand aufgrund eines Tippfehlers im Eifer des Gefechts einen viel zu hohen Preis bezahlen muss. B missbraucht diese Möglichkeit und zieht sein Gebot wenige Sekunden vor Schluss zurück – so spät, dass kein anderer mehr mitbieten kann. Damit ist A wieder Höchstbieter. Sein Gebot steht nur einen Bietschritt über dem nächsten: auf 201 Euro.

Gebotsabschirmung ist nicht neu. Allerdings klappt die Masche mittlerweile besonders gut, da sehr viele eBay-Nutzer sich angewöhnt haben, erst kurz vor Auktionsende ein Gebot abzugeben. Deshalb liegt der Preis eine Stunde vor Auktionsende in der Regel noch recht niedrig. Beliebte Opfer sind Anbieter von Waren, die sich gut weiterverkaufen lassen. Eine kurze Umfrage in der Redaktion und bei Bekannten ergab zwei weitere Fälle, in denen private iPhone-Verkäufer so hereingelegt wurden.

Die Suchfunktion der eBay-Hilfe liefert zum Thema „Gebotsabschirmung“ oder „Bid Shielding“ keine Treffer. Wohl aber steht das Zurücknehmen von Geboten unter „Häufige Fragen“ auf Platz 1. Der zugehörige Artikel stellt klar, dass die Rücknahme nur ausnahmsweise erlaubt ist, wenn man versehentlich einen falschen Betrag eingegeben hat oder wenn sich die Artikelbeschreibung nach Gebotsabgabe geändert hat. Die Möglichkeit zur Gebotsrücknahme ist generell umstritten, da sowohl Verkäufer wie auch andere Interessenten damit das Höchstgebot eines Bieters ausspionieren können.

Dem angemeldeten Verkäufer verrät eBay nur die guten Bewertungen des Bieters, ein nicht angemeldeter Besucher erfährt auch, dass dieser bereits viele Gebote zurückgezogen hat.

Muss der Verkäufer die Ware nach Auktionsende zum niedrigen Preis abgeben, wenn er keine arglistige Täuschung nachweisen kann? Dieser Punkt ist in den eBay-AGB (Paragraf 10, Absatz 1) mittlerweile klar geregelt: „Nach einer berechtigten Gebotsrücknahme kommt zwischen dem Mitglied, das nach Ablauf der Auktion aufgrund der Gebotsrücknahme wieder Höchstbietender ist, und dem Anbieter kein Vertrag zustande.“

Leider versäumt es eBay, die betroffenen Verkäufer auf diese wichtige Tatsache hinzuweisen und damit vor Schaden zu bewahren. Stattdessen macht es ihnen der Online-Marktplatz unnötig schwer, selbst eindeutige Fälle von Gebotsabschirmung zu erkennen. Denn solange der Verkäufer angemeldet ist, gelangt er durch Anklicken des Bieternamens in der Gebotsübersicht zur Seite „Meine eBay Welt“, auf der – ebenso wie in der Bewertungsübersicht – keine Gebotsrücknahmen aufgelistet sind. Erst nachdem er sich abgemeldet hat, führt ihn der Link in der Gebotsübersicht zu einer Seite mit Einzelheiten wie den Gebotsrücknahmen.

Wir fragten bei eBay nach, was der Online-Marktplatz gegen diese Masche unternimmt. Firmensprecherin Maike Fuest erklärte, das eBay-Sicherheitsteam prüfe alle Hinweise auf solches Fehlverhalten individuell. Ist eine Manipulation nachweisbar, leite das Team „angemessene Sanktionen“ gegen das fragliche Mitglied ein. Diese reichten von einer Verwarnung über einen befristeten bis zu einem dauerhaften Ausschluss vom eBay-Marktplatz. Proaktiv könne eBay nicht jede Gebotsrücknahme auf ihre Zulässigkeit hin überprüfen. Man habe aber Filtermechanismen eingerichtet, um Mitglieder aufzuspüren, die häufig Gebote zurückziehen.

Ob diese Filter angesichts der häufigen Gebotsrücknahmen durch den abgesprungenen Höchstbieter und den Zweiten in unserem Beispiel angeschlagen hatten, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir hatten die beiden Mitglieder gemeldet und Fuest sagte, eBay habe Sanktionen ausgesprochen, die aber nicht immer für andere Mitglieder sichtbar seien.

Das stimmt: Beide Accounts waren zu Redaktionsschluss aktiv. Unter einem wurde gerade ein gebrauchtes iPhone verkauft. Bei so viel Nachsicht scheint Fuests Einschätzung sehr optimistisch: „Ihren Eindruck bezüglich der steigenden Anzahl von Problemfällen bei eBay können wir nicht bestätigen – im Gegenteil.“ (ad)