Banking nach Gutsherren-Art

Wer sich eine Existenz als Online-Händler aufbauen will, kommt um eBay kaum herum: Die Versteigerungsplattform hat in vielen Bereichen eine monopolartige Position. Doch wer als gewerblicher Anbieter bei eBay mitspielen will, muss ein Konto bei der eBay-Tochter PayPal eröffnen – und damit beginnt für so manchen Unternehmensgründer ein Alptraum.

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Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Georg Schnurer

Auf dem Weg zum erfolgreichen Händler lauern so manche Fallen. Doch dass ausgerechnet ein "Online-Bezahlsystem mit Banklizenz" zu einem beinahe dreimonatigen Nervenkrieg führen würde, damit hatte Markus B. wirklich nicht gerechnet. Doch der Reihe nach: Der agile Jungunternehmer gründete im September 2010 die "Zoolox UG". Sein Geschäftsmodell vereinigt ein Ladengeschäft vor Ort und einen Versandhandel für Tierzubehör. Also mietete er einen kleinen Laden zu günstigen Konditionen und reservierte die Webseite Zoolox.de. Ein Webshop war schnell aufgesetzt, was jetzt noch fehlte, waren die Kunden.

Kunden für das Ladengeschäft, das war Markus B. sofort klar, gewinnt man nur mit lokalen Aktionen. Zur Geschäftseröffnung war deshalb die Lokalpresse geladen und tatsächlich erschien im örtlichen "Anzeiger" auch ein recht netter Bericht über das neue Fachgeschäft in der Umgebung. Mit regelmäßig verteilten Flyern versucht er zudem, das Interesse der potentiellen Kunden wach zu halten. Na, und als besonderen Knüller veranstaltete Markus B. auch noch einen Tag der offenen Tür rund um sein Spezialgebiet: Reptilien.

Um den Online-Shop bekannt zu machen, schaltete Markus B. natürlich auch Werbung im Internet. Doch letztlich wusste er: Um sich überregional bekannt zu machen, musste er auf den beiden großen Handelsplattformen Amazon und eBay vertreten sein. Doch wer bei eBay als Händler mitmischen will, muss auch das eBay-eigene Bezahlsystem PayPal nutzen. Also meldete sich der Geschäftsmann bei PayPal an. Alles was er dazu braucht, ist eine funktionierende E-Mail-Adresse. Eine weitergehende Verifikation hält PayPal selbst bei gewerblichen Anbietern erst einmal für überflüssig.

Sichtbarkeit im Netz

Der Handel auf eBay lief für Markus B. und seine Zoolox UG zunächst auch recht gut an: Schon einen Tag nach dem Einstellen der Produkte waren die ersten Käufer da. Markus B. bemühte sich um zügigen Versand und das Geld häufte sich auf seinem PayPal-Konto an.

Am 12. Oktober entdeckte der Unternehmer, dass die URLs "echsen-Shop.de" und "echsen-Shop.com" frei geworden waren. Beide gehörten einem inzwischen aufgegebenen Shop, für den Markus B. vor langer Zeit einmal gearbeitet hatte. Da der Google-Pagerank für die beiden Adressen noch recht gut war, erwarb er beide und leitete sie auf Zoolox.de um. Das brachte ihm eine spürbare Trafficsteigerung für die Webseite.

Doch die Medaille hatte auch eine Kehrseite: Als er kurze Zeit später Postwertzeichen mit seinem PayPal-Guthaben bezahlen wollte, funktionierte das nicht mehr. PayPal hatte sein Konto "eingeschränkt". Um diese Einschränkung wieder aufzuheben, so forderte man ihn per E-Mail auf, müsse er eine Kopie seines Personalausweises übermitteln. Zusätzlich forderte PayPal auch noch weitere sensible Geschäftsdaten an: Neben der Firmenregistrierung wollte die eBay-Tochter auch Versandbelege für die auf eBay verkauften Artikel, Abrechnungen vom Energielieferanten und Einkaufsbelege für die veräußerte Ware einsehen.

Moment: Lieferantenrechnungen? Geht das nicht etwas weit? Wer als Händler günstige Quellen aufgetan hat, ist üblicherweise nicht bereit, diese "Hinz und Kunz" zu verraten. Doch Markus B. wollte keinen Ärger und übermittelte brav alle geforderten Belege. Damit war PayPal allerdings noch nicht zufrieden: Markus B. sollte auch noch die Einschränkungen auf einem anderen PayPal-Konto klären, das auf eine E-Mail-Adresse @Echsen-shop.eu" läuft. Dazu, so forderte ihn PayPal schriftlich auf, möge er sich bei dem fremden Konto einloggen und dann alle dort aufgeführten Schritte zur Aufhebung der Einschränkung durchführen.

Hacker gefragt?

Hoffnungsschimmer: Am 17. November scheint der Spuk vorbei zu sein. PayPal verkündet die Freigabe des Kontos. Leider folgt wenige Minuten später erneut eine Sperrung.

Markus B. war wie vor den Kopf gestoßen: Mit dem genannten Konto hatte er nichts zu tun. Sollte er sich also in ein fremdes Konto hacken, damit PayPal ihm wieder Zugriff auf sein Geld gewährt? Sofort teilte er der eBay-Bank mit, dass er mit diesem Konto nichts zu schaffen habe. Doch das genügte anscheinend nicht: Egal was Markus B. auch schrieb, gebetsmühlenartig wiederholte PayPal seine Forderung: "Bereinigen Sie das Konto @Echsen-shop.eu, dann wird auch Ihr Konto wieder freigeschaltet."

Also fuhr Markus B. stärkere Geschütze auf: Er erstattete Strafanzeige gegen den Geschäftsführer von PayPal Deutschland wegen Unterschlagung, beschwerte sich bei der EU-Kommission wegen Monopolmissbrauchs, beauftragte ein Inkassobüro mit dem Eintreiben seiner Forderungen und reichte eine Beschwerde bei der luxemburgischen Bankenaufsicht ein – PayPal ist schließlich ein amerikanisches Unternehmen mit luxemburgischer Bank-Lizenz.

Doch all das beeindruckte PayPal nicht, zumal die EU-Kommission sich für nicht zuständig erklärt und die Staatsanwaltschaft Potsdam die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens ablehnt. Begründung: PayPal handele nach vertraglich vereinbarten Geschäftsbedingungen und sei deshalb zu solchen Maßnahmen berechtigt. Nachdem das Inkassobüro die Forderung als "uneintreibbar" deklariert hatte, beauftragte Markus B. einen Anwalt, der einen Mahnbescheid gegen PayPal erwirkte. Der zeigte allerdings nicht die gewünschte Wirkung: Statt den Fall nun endlich gründlich zu prüfen und die unberechtigte Einschränkung aufzuheben, reagierte PayPal bockig: Man widersprach dem Mahnbescheid und der "Senior Director Legal & Compliance Europe, Robert C. ließ den Kunden am 23.11.2010 wissen: "Da es sich um ein laufendes Mahnverfahren handelt, ist es uns momentan nicht möglich, Ihnen weitere Auskünfte zu erteilen."

Nachgefragt

Nachdem Markus B. sich an heise resale gewandt hatte, baten wir PayPal natürlich um Stellungnahme. Bereits einen Tag nach unserer Anfrage geschah Wundersames: Eine Dame von der Abteilung "Executive Escalations" meldete sich telefonisch bei Markus B.: Sein Konto werde innerhalb der nächsten 10 Minuten freigeschaltet. Kurz darauf erklärte sich PayPal auch "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" bereit, die Kosten zu übernehmen, die Markus B. durch das Einschalten eines Inkassobüros und für den Mahnbescheid entstanden waren. Auch die Anwaltsgebühren zahlte PayPal. Für die durch die unberechtigte Einschränkung des PayPal-Kontos entstandenen Umsatzausfälle und den geschädigten Ruf wollte man den Jungunternehmer freilich nicht entschädigen. Das sei, so ließ Mandy D. von Executive Escalations den Kunden wissen, laut AGB ausgeschlossen.

Nachdem klar war, dass das Konto zu Unrecht gesperrt worden war, waren wir natürlich auf die Stellungnahme von PayPal gespannt. Uns antwortete ein externer PR-Mitarbeiter, der namentlich lieber nicht genannt werden wollte. Man hätte dem Kunden aus "Datenschutzgründen" weder mitteilen können, worin die konkrete Verknüpfung seines Kontos mit dem unter Echsen-shop.eu geführten Konto bestünde, noch hätte man ihm konkret sagen dürfen, wie er dieses fremde Konto klären könne. Aus Sicht von PayPal wäre es aber für Markus B. möglich gewesen, mit dem Besitzer des anderen Kontos Kontakt aufzunehmen, um eine Klärung des Falles zu beschleunigen. Immerhin räumt PayPal letztlich ein, dass es in der Beurteilung des Falles zu Bearbeitungsfehlern gekommen sein könne, die man sehr bedauere.

Was tun?

Jenseits des konkreten Falles von Markus B. wollten wir von PayPal natürlich auch wissen, wie sich denn ein Händler vor solchen unberechtigten Einschränkungen seines PayPal-Kontos schützen könne und warum PayPal nicht wenigstens bei gewerblichen Kunden ein zuverlässiges Registrierungsverfahren verwendet. Eine E-Mail-Adresse kann sich schließlich jeder anonym beschaffen.

Die Antworten des Unternehmens waren wenig befriedigend: Es gibt keine Möglichkeit, sich vor unberechtigten Kontoeinschränkungen zu schützen, musste der PayPal-Beauftragte einräumen. Immerhin gebe es aber für Gewerbetreibende die Möglichkeit, sich vor der Kontoeröffnung an die Geschäftskundenabteilung zu wenden. Dann würden vor der Anmeldung nicht näher bezeichnete "Unterlagen" geprüft, was die Wahrscheinlichkeit einer Kontoeinschränkung verringern könnte.

Einen Hebel verriet uns der PR-Beauftragte allerdings eher unfreiwillig: Anscheinend ist die luxemburgische Bankaufsicht CSSF eine Behörde, vor der man bei PayPal Respekt hat. Die Kommunikationsverweigerung durch den Senior Director Legal & Compliance Europe, Robert C. gegenüber Markus B. resultierte vor allem daraus, dass sich der Kunde auch bei der CSSF beschwert hatte. "Diesen neuen Sachverhalt wollten wir im ersten Schritt überprüfen, bevor wir uns mit aussagekräftigen Antworten an Herrn B. wenden," schrieb uns der PR-Beauftragte auf Nachfrage. Schließlich war die CSSF auch die einzige Stelle, die Markus B. Hilfe versprach, wenn er über die Eskalationsabteilung von PayPal (crc@paypal.com) nach vier Wochen noch immer keine Lösung für sein Problem erreichen könne.

Fazit

Als Händler hat man letztlich kaum eine Wahl: Wer bei eBay mitmischen will, muss sich den Wünschen des Quasi-Monopolisten beugen und auch dessen Bezahlsystem PayPal verwenden. Da PayPal selbst einräumt, dass es keine Möglichkeit gibt, sich vor einer Kontoeinschränkung zu schützen, bleibt nur Schadensbegrenzung:

  • Machen Sie sich nicht von PayPal abhängig. Bieten Sie Ihren Kunden auch andere Bezahlsysteme an.
  • Wenn Sie ein PayPal-Konto nutzen (müssen), verwenden Sie unbedingt die bei PayPal erhältliche Key-Card oder sichern Sie ihr Konto über die SMS-Option von PayPal.
  • Lassen Sie so wenig Geld wie möglich auf ihrem PayPal-Konto. "Wirklich Ihr Geld" ist es erst, wenn die Barschaft auf einem Konto bei einer richtigen Bank liegt.
  • Kommt es zu unberechtigten Kontoeinschränkungen, beschweren Sie sich direkt bei der Eskalationsabteilung crc@paypal.com. Hilft die innerhalb von vier Wochen nicht, wenden Sie sich direkt an die CSSF (Commission de Surveillance de secteur Financier, Siège: 110, route d´Arlon, L-2991 Luxembourg, direction@cssf.lu). Beschwerden können dort auch in deutscher Sprache eingereicht werden.

Georg Schnurer, Chefredakteur heise resale

Ein starkes Stück – und kein Einzelfall

Der Fall von Markus B. ist bei Leibe kein Einzelfall: Ähnliche Beschwerden erreichen uns mit schöner Regelmäßigkeit. Da wird Händlern das Geld und Endkunden der Käuferschutz vorenthalten. Schaut man sich die vielen "Einzelfälle" an, zeichnet sich immer wieder dasselbe Bild ab: Der Kunde steht hilflos einer Maschinerie gegenüber, die nichts anderes tut, als nutzarme Textblöcke auszuspucken.
Klar, PayPal hat viele Millionen Kunden und täglich werden unzählige Transaktionen abgewickelt. Doch daraus das Recht abzuleiten, "auch mal Fehler machen zu dürfen", ist eine zu bequeme Ausrede. Natürlich muss sich ein System wie PayPal vor Betrügern schützen. Doch wer diese erst anlockt, darf sich hinterher nicht wundern, wenn PayPal in einschlägigen Kreisen als El Dorado gilt.
Die Probleme von PayPal sind nämlich allesamt hausgemacht: Es gibt kein zuverlässiges Anmeldeverfahren und das üblicherweise verwendete Banking-System ist von vorgestern. Über "Anmelden nur per E-Mail" muss man nicht mehr reden. Das ist keine hilfreiche Kundenverifikation und damit eine Einladung an Betrüger. Zudem ist eine E-Mail-Adresse kein bleibendes Merkmal. Sie kann sich ändern und kann auch plötzlich jemand anders gehören.
Die zweite eklatante Schwachstelle ist das Banking-System von PayPal. Alles was man braucht ist ein Username, der auch noch an die E-Mail-Adresse gekoppelt ist und ein Passwort, dann kann man mit einem PayPal-Konto machen was man will. Wie leicht möchte es PayPal Betrügern denn noch machen? Täglich verstopfen hunderte von PayPal-Phishing-Mails meinen E-Mail-Postkasten, um mir mein PayPal-Passwort zu entlocken. "Augen auf" ruft PayPal deshalb mit schöner Regelmäßigkeit seinen Usern zu, doch das Problem sind nicht die leichtsinnigen User, sondern die völlig anachronistische Art und Weise, wie man bei PayPal Zahlungen abwickelt. Transaktionsnummern, iTAN, eTAN – all das, was für eine normale Bank längst zur alten Sicherungstechnik gehört, gibts bei PayPal erst mal nicht.
Klar, wer lange sucht und sich bemüht, bekommt auch mehr Sicherheit. Doch das kostet entweder zusätzliches Geld (Key-Card) oder erfordert eine zusätzliche Anmeldung, bei der man PayPal auch noch die Handy-Nummer preisgeben muss. Kein Wunder also, dass viel zu wenig PayPal-Kunden diese Optionen nutzen. Wollte PayPal wirklich sicheres Banking anbieten, käme man um diese Funktionen bei der Anmeldung nicht herum. Im Moment scheint es für das "Bankhaus" PayPal aber noch billiger zu sein, den Folgen dieser Unzulänglichkeiten hinterher zu laufen, als diese einfach zu beseitigen. Die Zeche zahlen Kunden, deren Konten eingefroren werden oder denen PayPal den Käuferschutz verweigert. Solange das Firmenpolitik ist, werde zumindest ich kein PayPal-Konto nutzen. (gs)