Riesengewinne mit wissenschaftlichen Publikationen

Der Weltmarktführer Elsevier, zu dem unter anderem der Informationsdienstleister LexisNexis und 1700 Zeitschriftentitel wie "The Lancet" oder "Tetrahedron" gehören, erzielte im vergangenen Geschäftsjahr eine Umsatzrendite von 31 Prozent.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 264 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Richard Sietmann

Die Umsatzsteigerungen haben sich beschleunigt, die Betriebsergebnisse haben sich weiter verbessert, "and cash generation is strong" – mit diesen Worten fasst der Vorstand der britisch-holländischen Verlagsgruppe Reed Elsevier das Ergebnis des Geschäftsjahrs 2005 für die am Mittwoch dieser Woche stattfindende Hauptversammlung in Amsterdam zusammen. Der weltweit operierende Konzern mit 36.000 Beschäftigten steigerte seinen Umsatz um 7 Prozent auf 7,54 Milliarden Euro, den Gewinn vor Steuern um 9 Prozent auf 1,02 Milliarden Euro und die Kapitalverzinsung pro Aktie um 11 Prozent.

Von den vier Säulen des Konzerns – Reed Business für Wirtschaftsmagazine und Tagungsveranstaltungen, dem Schulbuchverlag Harcourt Education, dem Informationsdienstleister LexisNexis für das Rechts- und Steuerwesen sowie dem Wissenschaftsverlag Elsevier – ist letzterer mit Abstand der profitabelste Konzernbereich. Mit 7.300 Mitarbeitern brachte er es im abgelaufenen Geschäftsjahr auf einen Reingewinn von 655 Millionen Euro, was bei einem Umsatz von 2,1 Milliarden Euro einer Umsatzrendite von 31 Prozent entspricht.

Mit mehr als 1700 Zeitschriftentiteln – darunter die Flaggschiffe The Lancet, Tetrahedron und Cell, die über die ScienceDirect-Plattform online zugänglich sind und in denen jährlich rund 250.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen erscheinen – ist Elsevier der Weltmarktführer im STM-Bereich (Science, Technology, Medicine), dessen Gesamtvolumen die OECD auf sieben bis elf Milliarden US-Dollar schätzt.

Was für Reed Elsevier ein erfolgreiches Geschäftsmodell, stellt sich für andere allerdings eher als eine Fehlentwicklung des wissenschaftlichen Publikationswesens dar. So weist eine Anfang des Monats von der EU-Kommission veröffentlichte Studie darauf hin, dass sich auf dem Markt für Forschungsveröffentlichungen monopolartige Strukturen herausgebildet haben, bei denen einige Großanbieter die Preise und Konditionen für den elektronischen Zugang diktieren können.

In dem so genannten 20F-Report, einem formalisierten Geschäftsbericht für die US-Börsenaufsicht, beschreibt Reed Elsevier das lukrative Geschäft und seine Risiken so: "Die Hauptkunden der Informationsprodukte und Dienste unseres wissenschaftlichen und medizinischen Verlagsgeschäfts bei Elsevier sind akademische Einrichtungen, die beim Kauf dieser Produkte und Dienste mit begrenzten Haushaltsmitteln operieren und empfindlich von Veränderungen der privaten und staatlichen Finanzierungsquellen abhängen. [...] Unsere wissenschaftlichen, technischen und medizinischen (STM) Primärpublikationen werden, wie die der meisten unserer Wettbewerber, auf der Basis kostenpflichtiger Abonnements vertrieben. Unter Akademikern und Bibliothekaren, die die Hauptabnehmer für unsere STM-Publikationen sind, wird eine Diskussion darüber geführt, inwieweit solche Publikationen kostenfrei sein sollten und durch die Autoren und Subventionen der Öffentlichen Hand finanziert werden, oder die Publikationen eine Zeitspanne nach dem Erscheinen frei verfügbar gemacht werden sollten. Wenn solche Ansätze des STM-Publishing sich weithin durchsetzen sollten, könnte sich das negativ auf die Erlöse aus den Bezahlabonnements der Elsevier-Publikationen auswirken".

Im Klartext: Wenn sich immer mehr Wissenschaftler der Open-Access-Bewegung anschließen und ihre Forschungsergebnisse in frei zugänglichen Journalen oder auf institutionellen Publikationsservern veröffentlichen, ist es aus mit Monopolgewinnen. (Richard Sietmann) / (jk)