Phishing: Hohe Strafe gegen Finanzagenten

Phisher setzen zur Geldwäsche teilweise gutgläubige Finanzagenten als Zwischenstation ein. Das Amtsgericht Darmstadt entschied nun, ein Beschuldigter hätte den Charakter solcher Aktionen durchschauen können, und verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe.

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Von
  • Dr. Marc Störing

Das bundesweit zweite Urteil gegen einen so genannten Finanzagenten bei Phishing-Betrügereien liegt nun vor, teilte die "Arbeitsgruppe Identitätsschutz im Internet" mit (AG Darmstadt, Urteil vom 11. 1. 2006, Az. 212 Ls 360 Js 33848/05 – PDF-Datei).

Phishing, das "Abfischen" vertraulicher Daten wie etwa Bankzugangsdaten, Kreditkartennummern, eBay-Accounts und Ähnlichem, hat sich längst von einer irrlichternen Randerscheinung des Online-Bankings zum handfesten wirtschaftlichen Problem entwickelt. Nun rücken auch verstärkt die für die Geldwäsche eingespannten Gehilfen der Täter ins Visier der Ermittler. Denn die eigentlichen Phisher sitzen meist im Ausland und sind schon deshalb schwierig zu ermitteln. Doch aller grotesk anmutenden Phishing-E-Mails zum Trotz stellt die Erlangung von TANs gar nicht mehr das eigentliche Problem für die Täter dar: "Nach unseren Informationen begrenzt derzeit vor allem die Schwierigkeit, die erphishten Gelder beiseite zu schaffen, die Zahl der Phishing-Fälle", erklärt Professor Dr. Georg Borges von der Arbeitsgruppe.

Die Täter setzen zur Geldwäsche Finanzagenten als Zwischenstation ein. Dazu überweisen die Betrüger mit den ergaunerten Daten das Geld zunächst auf das Konto eines solchen Finanzagenten. Der darf einen Anteil des Geldes behalten, überweist aber ansonsten in aller Regel das Geld an eine Filiale von Western Union zur Barauszahlung. Ohne Ausweisdokumente ist es dort dem eigentlichen Täter möglich, sich anonym und bar die Beträge auszahlen zu lassen. Während der Phisher so praktisch nicht mehr zu ermitteln ist, haben die Strafverfolger beim Aufspüren des Finanzagenten leichtes Spiel, denn als Zahlungsempfänger der unerwünschten Überweisung ist er mit Namen und Kontodaten offenkundig.

Die Phisher werben inzwischen die Finanzagenten immer geschickter an. Der Arbeitsgruppe Identitätsschutz im Internet liegen komplette, seriös erscheinende Arbeitsverträge inklusive Urlaubsregelung vor, die lediglich zum Ziel haben, dass der geworbene "Mitarbeiter" Geld überwiesen bekommt und weiterreicht. Vor dem Hintergrund dieses gewollt seriösen Anstrichs erscheint dann fraglich, inwieweit die so geworbenen Geldwäscher sich über die Hintergründe und rechtliche Bewertung ihres Tuns überhaupt im Klaren sind.

Brisant mutet deshalb das nun vorliegende Urteil des Amtsgerichts Darmstadt an. Denn der Angeklagte bestritt zwar, den Charakter seiner Tätigkeit durchschaut zu haben. Doch das ließ das Gericht nicht gelten und nahm den erforderlichen Vorsatz an. Denn "im Rahmen der Globalisierung, im Rahmen der Presseberichterstattung und im Rahmen der Allgemeinbildung, über die der Angeklagte im Rahmen seiner Intelligenz verfügt, musste ihm einfach bekannt sein, dass auf diesem Weg wie beschrieben nur Schwarzgelder abgewickelt werden", meinte das Schöffengericht über den angeklagten Ingenieur. Und da nach Überzeugung des Gerichts der Vorruheständler auch mit entsprechenden Geldtransfers einen Teil seines Lebensunterhalts bestreiten wollte, liege auch der besonders schwere Fall gewerbsmäßiger Geldwäsche (§ 261 Abs. 4 StGB) vor. Das Gericht verurteilte deshalb den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten auf Bewährung. Gegenüber heise online erklärte der Verurteilte, Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt zu haben.

Die Arbeitsgruppe Identitätsschutz im Internet kritisiert das Urteil als "äußerst knapp begründet, sodass Beweiswürdigung und Rechtsanwendung kaum nachprüfbar sind". Nach Überzeugung der Rechtsexperten ist insbesondere "die Gesamtstrafe unzureichend begründet, zumal sie für den als naiv beschriebenen Angeklagten reichlich hoch erscheint". Im bundesweit ersten Fall verurteilte das Amtsgericht Hamm im September vergangenen Jahres einen Angeklagten zu einer Geldstrafe von insgesamt 1200 Euro (AG Hamm, Urteil vom 5. 9. 2005, Az. 10 Ds 101 Js 244/05 – 1324/05 – PDF-Datei). Am 27. April veranstaltet die Arbeitsgruppe Identitätsschutz im Internet eine fachübergreifende Expertentagung zum Thema "Phishing und Online-Banking".

Siehe dazu auch:

(Marc Störing) / (jk)