Die "zehn Gebote" für Online-Händler

Online-Shops ziehen nicht nur Kunden, sondern auch Abmahner an. Dieser Online-Inquisition kann man begegnen, indem man sich an "zehn Gebote" hält.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Der E-Trade ist nicht nur ein großer Marktplatz, der Garten Eden des Internet bietet nach wie vor auch für Existenzgründungen aller Art reichlich Platz. Dass das Internet dabei kein rechtsfreier Raum ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen; was jedoch für viele, die online ihr Gewerbe betreiben, immer wieder überraschend ist, ist die unwahrscheinliche Flut an Gesetzen, Normen, Rechtsprechung und Ähnlichem, die ihr Handeln und Treiben beschränkt. Und schlimmer noch: Die frisch erschaffenen Online-Präsenzen ziehen nicht nur neue Kunden an, sondern auch unsere besonderen Freunde, die Abmahner. Dieser Online-Inquisition kann man begegnen, indem man sich an die folgenden zehn Gebote von Rechtsanwalt Max-Lion Keller hält:

I. Du sollst das Impressum ehren.

Man sollte es wirklich nicht für möglich halten, aber das Impressum in Websites und unter e-Mails hat sich immer noch nicht so etabliert, wie der Gesetzgeber es vorgesehen hat: So ergeben sich z.B. aus § 5 TMG gewisse Pflichtangaben, die auf kommerziellen Websites und im elektronischen Geschäftsverkehr nun einmal zwingend vorhanden sein müssen. Deshalb: Erst das Impressum erstellen, dann online gehen und geschäftliche e-Mails schreiben.

II. Du sollst nicht Deines Nächsten Content missbrauchen.

Auch eine beliebte Falle: Wozu für den e-Shop eigene Bilder und Artikelbeschreibungen verwenden, wenn es doch schon hunderte Vorlagen im Internet gibt? Problem: All das ist geistiges Eigentum des Erstellers, und die sind manchmal gar nicht glücklich ihre Werke auf fremden Websites wiederzufinden. Auch hier gilt: Wenn Bilder und Texte nicht ohnehin schon vom Hersteller zur Verfügung gestellt werden, lieber selbst kreativ sein und dafür keine Abmahnung riskieren. Das gleiche gilt natürlich für jede andere Art von Content, ganz besonders beliebt sind hier auch Stadtpläne.

Max-Lion Keller ist Rechtsanwalt und Partner der IT-Recht Kanzlei München. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört u.a. die Beratung von Unternehmen beim Aufbau von rechtssicheren Online-Auftritten und Online-Shops, sowie juristisches Risiko- und Vertragsmanagement. Max-Lion Keller ist außerdem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für mehr Fairness im Internet e.V. – Fair-E-Com und Autor des "Lexikon für das IT-Recht 2009"

III. Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen über Deine Preise.

Das klingt jetzt banal, ist in der Praxis aber ein enormes Problem geworden – korrekte Preisdarstellung ist mittlerweile eine Wissenschaft für sich. Einmal, weil die Preisangaben-Verordnung (PAngV) eine denkbar komplizierte Norm ist, und dann hat sich noch parallel dazu eine ganz eigene Rechtsprechung um das Thema entwickelt. So sollten beispielsweise, nur um ganz sicher zu gehen, bei eBay alle Grundpreise in der Hauptartikelüberschrift so weit links wie nur irgend möglich angegeben werden, damit sie in allen Feldern sichtbar sind. Auch Vergleichswerbung bezüglich des Preises mit Begriffen wie "alter Preis", "Listenpreis", "Ladenpreis" etc. ist nach herrschender Rechtsprechung irreführend. Deshalb: Erst die PAngV und die angrenzende Rechtsprechung studieren, dann Preise und Werbung gestalten.

IV. Du sollst Allgemeine Geschäftsbedingungen darbieten.

Mittlerweile hat sich die Rechtsauffassung durchgesetzt, dass e-Trader AGB vorzuhalten haben: Wer seine Kunden nicht darüber informiert, wie Kaufverträge mit dem Verbraucher zustande kommen, handelt nach herrschender Rechtsprechung wettbewerbswidrig. Schließlich kann ja ein Kunde nicht ohne weiteres sehen, ob es sich bei den Angeboten des e-Shops um eine "inivitatio ad offerendum" oder schon ein Angebot handelt, welches mit einem Klick angenommen werden kann; er kann sich daher weder über rechtliche Folgen sicher sein, noch darüber, ob er mit dem "Kaufklick" die Ware nun bereits per Kaufvertrag erstanden hat, oder ob es sich nur um ein Angebot handelt, das noch angenommen werden muss. Auch Rechte und Fristen müssen für den Verbraucher erkennbar sein. Allerdings ist auch das Formulieren rechtssicherer AGB eine Wissenschaft für sich, die mit zahllosen Fallstricken gespickt ist. Keinesfalls sollten fremde AGB einfach kopiert werden (vgl. II. Gebot!), im Zweifel ist es besser vorgefertigte AGB von einem Anwalt zu kaufen.

V. Du sollst nicht falsche Garantien abgeben wider Deinen Nächsten.

Auch die Garantien sind so ein Thema für sich – noch immer werden einzelne Händler abgemahnt. So muss etwa die Garantie mit allen Modalitäten (Dauer, Geltungsbereich, Erreichbarkeit des Garantiegebers etc.) dargestellt und die gesetzliche Situation rund um die Verbraucherschutzrechte erläutert werden. Auch das ist ungefähr so kompliziert, wie es klingt. Sollten die (gekauften) AGB hier nicht schon entsprechende Erläuterungen beinhalten, so ist es auch hier besser, einen Fachmann hinzuzuziehen.

VI. Du sollst der Entsorgung huldigen.

Auch das klingt wieder eher banal, aber man kann auch die Verpackungsverordnung nicht oft genug erwähnen. Wer im Geschäftsleben Verpackungsmüll produziert – also praktisch jeder, der im Fernabsatzhandel tätig ist – hat sich einem Entsorgungssystem anzuschließen. Wer das nicht tut, ist (natürlich) dem Risiko einer Abmahnung ausgesetzt.

VII. Du sollst Deine Lieferzeiten festlegen.

Auch die Lieferzeiten sind so ein Thema – hier wird dem arglosen e-Trader gerne einmal Irreführung, Beeinträchtigung der Verbraucherrechte oder Schlimmeres unterstellt. In der Tat sollte ein möglichst genauer Termin bzw. Lieferzeitraum angegeben werden, der dann auch noch stimmt. "Lieferzeit auf Anfrage" geht gar nicht. Es gilt also: Erst informieren, dann Lieferzeiten online stellen (und bloß nicht erst versuchen, die Lieferzeiten einfach wegzulassen!).

VIII. Du sollst die Zehntausend Gebote zu Deiner Ware achten.

Ware ist nicht gleich Ware – eine Vielzahl von Handelsgütern bringt von hoheitlicher Seite eine Unmenge an Gesetzen, Verordnungen, technischen Vorschriften, und nicht zuletzt gefestigter Rechtsprechung und EU-Regulierungen mit sich, die den Händler einige Nerven kosten können. Beispielsweise zieht schon der Import von "unschuldigen" kleinen Batterien ein Sammelsurium an Melde- und Informationspflichten nach sich, das bis ins Detail beachtet werden will – die Abmahner lauern schließlich schon. Und dann müssen die Dinger auch noch einzeln versiegelt, stabil verpackt, gekennzeichnet, mit Gefahrenhinweisen versehen und ab einer gewissen Grenze auch noch als Gefahrgut versandt (!) werden. Wer also mit Dingen handelt, die in irgendeiner Weise komplexer sind als Häkelgarn oder Druckerpapier, sollte sich genauestens über die produktspezifische Rechtslage informieren.

IX. Du sollst auf Abmahnungen vorbereitet sein.

Irgendwann passiert’s dann doch: Die erste Abmahnung ist da. Und spätestens jetzt ist schlechte Vorbereitung das schlimmste, was passieren kann – auch der Umgang mit den bösen Briefen will gekonnt sein. Die schlimmste aller Reaktionen ist Untätigkeit, die zweitschlimmste ist blindes Unterschreiben und Bezahlen. Wer gar nichts tut riskiert ein teures Zivilverfahren (in dem dann die eigene Position schon von vornherein geschwächt ist), wer einfach unreflektiert die Unterlassungserklärung unterschreibt, gesteht dem Abmahner möglicherweise Rechte zu, die der gar nicht hat. Gleich der nächste Fehler ist es dann, online in irgendwelchen Foren oder Diskussionsgruppen nach Rat zu suchen; erfahrungsgemäß sind die hier gewonnenen Erkenntnisse zweifelhaft bis schlichtweg falsch. Spätestens hier hilft also nichts: Im Zweifel muss ein Jurist her.

X. Du sollst Dich gefälligst auf dem Laufenden halten!

Ist diese leidige Abmahnerei noch in den Griff zu bekommen? Schon Shakespeare wollte eine Lösung aufzeigen: "First of all, let’s kill all lawyers". Aber auch dieser Versuch wäre aussichtslos: Mittlerweile gibt es einfach zu viele. Stattdessen macht es mehr Sinn, mit der rechtlichen Entwicklung schrittzuhalten. Im e-Trade ist das natürlich besonders ärgerlich, da gerade hier die Rechtslage ausgesprochen dynamisch ist und fast im Wochentakt vom nationalen Gesetzgeber, vom europäischen Verordnungsgeber und natürlich von der Rechtsprechung beeinflusst wird. Ein einmal rechtssicher ausgestalteter e-Shop bleibt daher nur so lange rechtssicher, wie die Rechtslage unverändert bleibt – im Regelfall also ein paar Wochen. Abhilfe schafft hier allein ständige Information über die jeweils aktuellen Entwicklungen. Egal ob anwaltliche Beratung, juristischer Update-Service oder intensives Studium der monatlichen Fachpresse: Wissen schafft Vorsprung, und Unwissenheit rächt sich schnell – denn: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, und die kommt häufig in Form einer Abmahnung daher. (Marzena Sicking) / (map)
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