Watsons Triumph

Bisher galten Intuition und assoziatives Denken als Fähigkeiten, die dem Menschen vorbehalten sind. Dann kam Watson. Erweist sich der menschliche Geist also doch nur als profane App-Kollektion?

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Manfred Pietschmann

Er hat es also geschafft: „Watson“, ein IBM-Computer, konnte in der amerikanischen Quizshow „Jeopardy“ seine beiden menschlichen Konkurrenten schlagen. Was insofern bemerkenswert ist, als es sich bei „Jeopardy“ um eine Art paradoxes Quiz handelt, bei dem die Teilnehmer aus mehr oder weniger verschlüsselten Hinweisen die richtige Frage formulieren müssen.

Dabei kommt es auf Intuition und assoziatives Denken an, Fähigkeiten also, von denen ich bisher glaubte, sie seien dem Menschen vorbehalten, allenfalls noch seinen engsten Verwandten. Dass eine Maschine es in diesen Disziplinen mit uns aufnehmen kann, darf durchaus als Sensation gewertet werden. Wie das funktioniert, verriet Watsons Schöpfer David Ferrucci, Leiter der Abteilung „Semantische Analyse und Integration“ im IBM-eigenen T.J. Watson Research Center, meinem Kollegen Gordon Bolduan in einem Interview im aktuellen Heft 3/2011, das am Donnerstag in den Handel kommt.

Auch bei so schwierigen Fragen wie jenen, wann und wo das nächste Verbrechen passiert oder welche Frau zu welchem Mann passt, fördern Computer im Dienst von Polizei und Partnerbörsen Erstaunliches zutage. Über das mittlerweile erstaunlich breite Anwendungsfeld des "predictive modeling" lesen Sie ebenfalls mehr im neuen Heft. Selbst die kleinen, mobilen Smartphones und Tablet-Rechner machen sich mit verblüffenden Fähigkeiten zunehmend als Partner im Alltag unentbehrlich, wobei immer schnellere und zugleich verbrauchsärmere Mikroprozessoren die Rolle des Treibers übernehmen. Wohin die "mobile Revolution" führt, das haben wir in einem 14 Seiten umfassenden Fokus untersucht.

Dass wir uns in diesem Heft derart intensiv mit den Facetten der Informationstechnik beschäftigt haben, hat nicht nur mit der nahenden CeBIT zu tun. Denn was bedeutet diese verblüffende Leistungsschau kleiner und großer Rechengeräte? Erweist sich der menschliche Geist, jener vermeintlich göttliche Funke, nun doch nur als profane App-Kollektion, lokalisiert in einer kopierbaren Architektur parallel geschalteter Neuronen? Und wenn ja – übernehmen die Computer dann früher oder später das operative Geschäft im Weltgeschehen? So abwegig diese Fiktion uns auch erscheinen mag – mit dem souveränen Sieg von Watson erhält jene Grundangst der Moderne neue Nahrung. (wst)