Wikinews starten in Deutschland

Seit gestern sind die deutschen Wikinews-Seiten freigeschaltet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 261 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Die Wikipedia-Community startet ein neues ambitioniertes Projekt: Unter dem Namen Wikinews soll eine freie Nachrichtenseite entstehen, auf der jeder über Neuigkeiten berichten kann. Kurz nach der englischen Ausgabe wurde auch die deutsche Wikinews-Seite freigeschaltet.

Wie in der freien Enzyklopädie Wikipedia ist die gemeinsame Arbeit an Artikeln das Grundprinzip der Wikinews. Jeder kann ohne Anmeldungen neue Artikel schreiben oder bestehende verändern, die Ergebnisse sind kostenlos verfügbar. Bei dem Lexikon führte die ständige Kontrolle durch andere Teilnehmer zu vielen qualitativ hochwertigen Artikeln, die durchaus mit kostenpflichtigen Artikeln konkurrieren können. Gerade in puncto Aktualität konnte das freie Lexikon die etablierten Enzyklopädien in Tests schlagen (s. c't 21/04, S. 132). Doch die Arbeit an umstrittenen Artikeln dauert hier oft Monate. Wie sich das Wikiprinzip bei tagesaktuellen Nachrichten entwickelt, muss sich noch herausstellen.

Schon seit geraumer Zeit ist auf der Startseite der Wikipedia auch eine Auswahl aktueller Nachrichten zu finden, die dann direkt in die entsprechenden Lexikonartikel eingearbeitet wurden. "Bei den Terroranschlägen von Madrid war die Wikipedia einer der schnellsten und ausführlichsten Informationsquellen", sagt Mathias Schindler, der im Vorstand der Wikimedia Deutschland sitzt und als "Bürokrat" für das Wikinews-Projekt zuständig ist.

Wikinews ist im Experimentierstadium. Während sich die englische Ausgabe in ihrem Mission-Statement hauptsächlich die Ideale einer freien Nachrichtenquelle mit Zugang für jedermann formuliert, gibt sich die deutsche Sektion etwas vorsichtiger. Auf der Startseite schreiben die Macher: "Zur Kontinuität gehört in einem Wiki auch das Scheitern. Wir haben das Recht und die Möglichkeit, krude Ideen einfach auszuprobieren. Wenn sie schief gehen, tut es in der Regel nicht weh."

In Zukunft soll ein internationales Netzwerk von Bürgerreportern aufgebaut werden, die direkt vor Ort von Ereignissen berichten. Doch dieses Netzwerk ist noch in weiter Ferne, zunächst konzentrieren sich die Wikireporter auf die Aufbereitung von Nachrichten aus anderen Quellen. "Ziel ist es, zunächst eine Nutzerbasis zu schaffen, die eine gewisse Kontinuität schafft", sagt Schindler.

Derzeit kann jeder die Startseite noch per Hand abändern, doch die Wikipedia-Community arbeitet bereits an neuen technischen Lösungen, die die Zusammenarbeit an den Meldungen verbessern sollen. "Wir haben 1000 verschiedene Ideen" sagt Schindler. Zuerst will man aber abwarten, wie sich die Seite entwickelt und nach und nach verschiedene Mechanismen und Softwarelösungen ausprobieren. Auch eine geeignete Lizenz für die Artikel wird noch gesucht. Bis die gefunden ist, stehen die Texte als Public Domain zur Verfügung. Einer der obersten Grundsätze der Wikipedia ist der "neutral point of view" – der neutrale Standpunkt, der sich keine subjektive Bewertung zu Eigen macht. Damit unterscheidet sich Wikinews zum Beispiel von dem alternativen Mediennetzwerk Indymedia auf dem meist sehr dezidierte Standpunkte zu finden sind.

Wenige Stunden nach der Eröffnung ist das Nachrichtenangebot naturgemäß noch sehr dünn. Auf der deutschen Startseite finden sich bisher nur mehr als ein Dutzend Meldungen, die meinst nur aus wenigen Sätzen bestehen, dazu einige Links auf Artikel, die noch zu schreiben sind. Wer sich an Wikinews beteiligen will, kann ab sofort zur Tastatur greifen. Da für die News noch Abläufe und Regeln gefunden werden müssen, kommt wieder die Hauptempfehlung für Wikipedia-Mitarbeiter zum Tragen: "Sei mutig".

(Zu den den Wikinews-Plänen und zur Infoelite siehe auch hier) (Torsten Kleinz) (ae)