Lotus Notes feiert 15. Geburtstag

In 15 Jahren sollte Lotus Notes das erfolgreichste Client-Server-Produkt aller Zeiten werden. Auf einem aktuellen Server sind immer noch Anwendungen der Version 1.0 lauffähig.

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Am 7. Dezember 1989, vor genau 15 Jahren wurde die Workgroup-Software Lotus Notes 1.0 vorgestellt. Damals hatte Notes fünf Jahre Entwicklung hinter sich und genau einen Kunden: Sheldon Laube, damals CIO von Price Waterhouse, kaufte 10.000 Lizenzen für sein Unternehmen.

Als "Erfinder" von Lotus Notes wird meistens Ray Ozzie gehandelt, dabei liegen die Wurzeln der Software noch einmal gut 15 Jahre weiter zurück. Tim Halverson, Len Kawell und Ray Ozzie arbeiteten in den 70er Jahren an der Universität Illionois im Computer-based Education Research Laboratory mit dem 1973 veröffentlichten PLATO Notes, einem auf CDC-Großrechnern laufenden Softwaresystem, das als Vorläufer vieler scheinbar moderner Techniken wie E-Mail, Chatrooms, Instant Messaging, Screen Sharing etc. gilt. Halverson und Kawell nutzten diese Erfahrungen, um für DEC ein PLATO-ähnliches System zu entwerfen.

Ozzie versuchte zur gleichen Zeit, eine Finanzierung für die Entwicklung einer PC-basierten Software mit ähnlichem Funktionsumfang zu finden. Lotus-Gründer Mitch Kapor ließ sich von dieser Idee überzeugen und so gründete Ray Ozzie vor genau 20 Jahren die Firma Iris Associates Inc., finanziert und im Auftrag von Lotus Development. Im Januar 1985 stießen Halverson, Kawell und kurz darauf Steven Beckhardt zu Iris. Die ungewöhnlich lange Entwicklungszeit von Notes erklärt sich vor allem dadurch, dass DOS als Betriebssystem nur ungenügende Funktionen bereitstellt. Notes bekam deshalb ein betriebssystemähnliches Design mit Geräte- und Protokolltreibern. Während der Entwicklungszeit wurde die Software zudem auf OS/2 portiert und erschien in 1989 sowohl für DOS als auch für OS/2. Die Version 1.1 unterstützte 1990 das soeben erschienene Windows 3.0.

Bereits die erste Version bot 1989 Verschlüsselung und Signierung von Dokumenten mit RSA-Public-Key-Verfahren sowie ein zentrales Directory, eine E-Mail-Anwendung, so genannte Doc-Links als Hypertextverweise zwischen Dokumenten und eine Zugriffskontrolle über Access Control Lists (ACL). Mit der Version 2.0 in 1991 arbeitete Iris vor allem an einer größeren Skalierbarkeit. Um sich auf größere Unternehmen mit entsprechender IT-Infrastruktur zu konzentrieren, führte Lotus eine Minimalzahl von 200 Lizenzen ein, die man für damals 62.000 US-Dollar erwarb. Mit dem Erscheinen von Notes 3.0 in 1993 hatte Lotus 2.000 Kunden mit insgesamt 500.000 Notes-Anwendern. Von Ozzie nicht vorausgesehen entwickelte sich Notes zu einem Anwendungsserver, der ein größeres Ökosystem von Business Partner mit der Entwicklung kundenspezifischer Lösungen beschäftigte. Nur wenige schafften es aber, aus dem Projektgeschäft zu unabhängigen Softwareherstellern (ISV) zu werden.

Der große Durchbruch von Notes kam aber erst nachdem IBM 1995 Lotus aufkaufte, um in den Besitz der Notes-Technologie zu kommen. Das Unternehmen behielt weitgehende Selbstständigkeit und wurde vor allem mit den nötigen Ressourcen ausgestattet, einen größeren Mark zu erobern. Mit der Version 4.0 halbierten die damaligen Lotus-Chefs Mike Zisman und Jeff Papows den Lizenzpreis. In den Folgejahren tobten die "Seat Wars" zwischen Microsoft und IBM, die heute im Markt kommerzieller Messaging-Systeme zu beinahe gleichen Teilen die dominanten Anbieter sind.

Spätestens mit dem Durchbruch des World Wide Web wurde Notes immer wieder tot gesagt -- und lebte umso länger. 1996 führte Lotus mit der Version 4.5 die neue Marke Domino für den Server ein, wohl vor allem, um dem Notes-Server einen frischeren Anstrich zu geben. Neben den eigenen Protokollen nutzen Client und Server zunehmend auch Internet-Protokolle. Den Anfang macht NNTP, dann folgente SMTP und HTTP, schließlich POP3, IMAP und LDAP. Notes und Domino behielten die Lauffähigkeit auf unterschiedlichen Betriebsystemen. Mit Version 5.0 wurden der OS/2- und der Unix-Client aufgegeben, sodass es heute nur noch einen Windows- und einen Mac-Client gibt. Die Server laufen auf einer Vielzahl von Plattformen von AIX, über Linux, OS/400 und Solaris bis zu Windows.

Aktuell befindet sich die nächste Version 7.0 von Notes und Domino im Betatest. Noch diesen Monat soll die dritte öffentliche Beta-Version erscheinen. Zur Lotusphere im Januar wird Lotus das endgültige Erscheinungsdatum der neuen Ausgabe ankündigen -- man rechnet allgemein mit dem Ende des ersten Quartals 2005. IBM spricht heute bereits von der darauf folgenden Generation, der Notes endlich auf den Linux-Desktop bringen soll. Als Basis dient dann der auf der Eclipse Rich Client Platform aufbauende Workplace Client.

In 15 Jahren sollte Lotus Notes das erfolgreichste Client-Server-Produkt aller Zeiten werden. Auf einem aktuellen Server sind immer noch Anwendungen der Version 1.0 lauffähig. Notes wird heute von mehr als 100 Millionen Anwendern genutzt, und das Unternehmen PricewaterhouseCoopers, das 1998 aus dem Zusammnenschluss von Price Waterhouse und Coopers & Lybrand entstand, gehört immer noch zu den größten Notes-Anwendern. Sheldon Laube sollte sich als Visionär entpuppen. (Volker Weber) / (jk)