Besuch in der Zentrale

In der letzten Woche gab es in der TR-Familie ein seltenes Ereignis. Die amerikanischen Kollegen hatten zu einem internationalen Treffen der Redaktionen eingeladen.

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Von
  • Manfred Pietschmann

In der letzten Woche gab es in der TR-Familie ein seltenes Ereignis. Die amerikanischen Kollegen hatten zu einem internationalen Treffen der Redaktionen eingeladen. Als Vertreter der deutschen Redaktion hatte ich das Vergnügen, auch unsere Kollegen aus China, Indien, Italien und Spanien einmal persönlich kennenzulernen.

Ziel unseres Treffens, an dem auch unser Verlagsgeschäftsführer Steven Steinkraus teilnahm, war es, die Zusammenarbeit zwischen den Redaktionen zu verbessern. Um aus einem Stern von Einbahnstraßen mit der US-Redaktion im Zentrum ein reges Netzwerk gleichwertiger Partner zu entwickeln, haben wir uns gegenseitig über die jeweiligen Markt- und Vertriebsaktivitäten informiert. Außerdem haben wir über Möglichkeiten diskutiert, Artikel auszutauschen und dem Innovationspreis TR 35 mehr internationale Geltung zu verschaffen.

Boston – diese Stadt an der Ostküste, etwa so groß wie Hannover, war bislang noch ein weißer Fleck auf meiner persönlichen USA-Karte. Das ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen, denn meterhohe Schneehaufen säumten die Straßen. Als erstes fiel mir auf, wie sehr junge Leute das Stadtbild prägen – kein Wunder bei der Dichte an Hochschulen: Boston University, Northeastern University, Boston Medical School und – natürlich – Harvard und das MIT. Ja, ich weiß, die beiden letztgenannten liegen in Cambridge, einer eigenen Stadt jenseits des Charles River, aber letztlich trennen nur fünf U-Bahn-Stationen Downtown-Boston vom Standort der berühmtesten Unis der Welt.

Am Sonntag war es dort genauso belebt wie unter der Woche. In der Subway stapelten sich die Studenten, und wer einen Sitzplatz ergattert hatte, balancierte ein Skript auf den Knien um zu lernen. Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass die Studenten motivierter sind als üblich: Wer am MIT studiert, ist einer von rund 4000 Studenten (bis Bachelor). Um sie kümmern sich fast genauso viele Professoren, Assistenten und Doktoranden, denn vom ersten Tag an werden die Studenten in den praktischen Wissenschaftsbetrieb integriert. Weitere 6000 „Graduates“ studieren im Masterstudiengang und arbeiten großenteils nebenbei in einer der Hightech-Firmen, die sich rund um den Campus angesiedelt haben.

Die Studiengebühren betragen stolze 35000 Dollar pro Jahr. Das ist viel Geld, doch wer wirklich gut ist, braucht sich darum nicht zu sorgen. Die Organisation der Ehemaligen – der MIT-Alumni – vergibt großzügig Stipendien an die Leistungselite. Und so ist es nicht verwunderlich, dass auch am Wochenende, wenn der normale Lehrbetrieb ruht, die Studenten in die Labors strömen. Und die machten auf mich nicht den Eindruck verknispelter Streber, sonden wirkten auf mich wie reife Menschen, die sich ihres großen Privilegs bewusst sind. (wst)