Alter PC, neue Software

Ein Start-up erlaubt Kunden, neueste Betriebssysteme auch auf altertümlicher Hardware laufen zu lassen. Servertechnik macht es möglich.

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Von
  • Boonsri Dickinson

Ein Start-up erlaubt Kunden, neueste Betriebssysteme auch auf altertümlicher Hardware laufen zu lassen. Servertechnik macht es möglich.

Jedes Mal, wenn eine neue Windows-Version auf den Markt kommt, stellen viele Nutzer fest, dass ihre PC-Hardware plötzlich veraltet ist. Zu wenig Speicher, zu wenig Festplattenplatz, zu langsamer Prozessor lautet dann die Diagnose. Während Otto-Normal-User dann einfach ein wenig Geld in einen neuen Rechner investieren kann, ist dies für Bildungseinrichtungen nur selten möglich – es wäre schlicht zu teuer, Klassenzimmer voller Rechner auszutauschen. Also bleibt die IT-Abteilung lieber bei älterer Software, selbst wenn die dann nach einiger Zeit nicht mehr aktualisiert werden sollte und Schüler und Studenten leiden.

Das US-Start-up NeverWare will solchen und ähnlichen Kundengruppen nun dabei helfen, auch zehn Jahre alte PCs noch eine ganze Weile lang mit neuesten Betriebssystemen nutzen zu können. Der Trick: Auf den Alt-Rechnern läuft nur noch eine kaum Ressourcen benötigende Anzeigesoftware, der wichtige Rest, eine komplett ausgestattete moderne Windows-7-Oberfläche, wird von einem zentralen Server über ein bestehendes Netzwerk eingespielt.

Die Technik soll auch auf Rechnern mit dem vor fast 13 Jahren erschienenen Windows 98 noch problemlos funktionieren. Auf Monitor, Maus und Tastatur kann weiter zurückgegriffen werden. Jede Eingabe und jede Zeigerbewegung wird an den Server geschickt, der wiederum das passende Bild zurückliefert.

Momentan testet NeverWare den für die mehrere Dutzend Altrechner ausreichenden Server, JuiceBox genannt, an zwei Bildungseinrichtungen im US-Bundesstaat New Jersey, die so ihre alte Hardware weiterverwenden wollen. "Schulen können es sich nicht leisten, ihre PCs auf den neuesten Stand zu bringen, während in Entwicklungsländern schon einzelne Computer zu teuer sind. Wir verwenden deshalb die Möglichkeiten einer Server-Wolke, um zu einem effizienteren IT-Modell zu gelangen", erläutert NeverWare-Gründer Jonathan Hefter.

Das Start-up ist nicht der einzige Anbieter, der auf diese auch "Virtual Desktop" genannte Technik setzt. Konkurrent NComputing arbeitet allerdings nicht mit alten PCs, sondern setzt auf Billig-Hardware aus Tastatur, Maus und Monitor, die sich dann per Internet mit Servern in Verbindung setzen. Hefter betont, dass die NeverWare-Lösung dagegen mit einem Server Dutzende Maschinen "upgraden" könne.

Trotz Hardware-Recycling sieht sich das Start-up als Teilnehmer eines modernen Trends: Tatsächlich tut es NeverWare nur großen Unternehmen wie dem Netzriesen Google nach. Dessen neues Betriebssystem Chrome OS speist sich ebenfalls vor allem aus der "Cloud", nur noch wenige Daten lagern auf der Festplatte.

Joyojeet Pal, Professor für Computerwissenschaften an der University of Washington, sieht Potenzial in der Idee: "Das Projekt sieht mir nach einer Alternative zu reinen Online-Betriebssystemen aus." Reine Web-Lösungen wie Chrome OS könnten Nutzern weniger bieten als traditionelle PC-Software. Ein Grundproblem, nämlich die Wartung veralteter Hardware, bleibe aber bestehen.

Mark Foster, ehemaliger Technik-Vizepräsident beim "One Laptop per Child"-Projekt, hofft, dass die NeverWare-Technik auch Verbreitung in Dritte-Welt-Ländern findet, wo es oft an aktueller Hardware mangelt. "Es macht schon einen Unterschied, wenn Kinder die Werkzeuge erhalten, mit denen sie adäquat lernen können. Das vergisst man nicht." (bsc)