Letzte Worte zu Guttenberg

Ein kurzer Kommentar zu Guttenberg und der Diskussion um gute Wissenschaft. Danach nichts mehr zu diesem Thema. Versprochen!

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Schade schade, dass ich nächste Woche keine Zeit habe, zur Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) zu fahren. Nur zu gerne hätte ich in Vortragspausen und beim Feierabendbier gelauscht, wie der (naturwissenschaftliche) akademische Nachwuchs die Guttenberg-Nummer wirklich beurteilt.

Das Präsidium der DPG hatte sich in einer Presseerklärung zum Fall des Ex-Verteidigungsministers nämlich ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt und mit markigen Worten von der Bundesregierung eine Art Ehrenerklärung für die Wissenschaft gefordert. „Seit langer Zeit“, heißt es in der Erklärung, habe sich die Wissenschaft verpflichtet, „in ihrer Arbeit und Methodik nur die höchsten Standards von Wahrhaftigkeit,Redlichkeit und wissenschaftlicher Sorgfalt gelten zu lassen."

Wenn das nichts ist. Wahrhaftigkeit und Redlichkeit. Denn „derartige Wertemaßstäbe sind die einzige Möglichkeit, das Vertrauen der Politik und Gesellschaft in wissenschaftliche Arbeit und Methodik zu rechtfertigen und gleichzeitig deren Qualität als Grundlage für die Zukunft des Landes zu sichern.“ Wenn es um die Zukunft des Landes geht, ist die Forderung natürlich klar:

„Die Deutsche Physikalische Gesellschaft fordert deshalb, mit dem heutigen Rücktritt des Betroffenen nicht zur Tagesordnung überzugehen. Sie fordert alle verantwortlichen Politiker, insbesondere die amtierende Regierung, auf, ein klares und eindeutiges Bekenntnis zu den Grundsätzen der Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis abzulegen. Für die Öffentlichkeit muss damit ein deutliches Signal gegeben werden, dass diese unter keinen Umständen verhandelbar oder relativierbar sind – unabhängig von politischen Konstellationen, Personen oder Interessen.“

Soweit, so beeindruckend. Was mich aber interessieren würde ist, wie die Praktiker vor Ort über die Sache denken. Die unter den Bedingungen des realen öffentlichen Mangels täglich an möglichst kostengünstigem Gerät arbeiten, sich mit prekären, unterfinanzierten und befristeten Stellen rumschlagen – wenn es denn überhaupt welche gibt – und sich gelegentlich im Beziehungsgeflecht professoraler Platzhirsche verlaufen.

Was halten die von „Wahrhaftigkeit und Redlichkeit“ und den Richtlinien „guter wissenschaftlicher Praxis“, die sie beispielsweise verpflichten, alle – wirklich alle – experimentellen Rohdaten zehn Jahre lang im Labor oder Institut aufzubewahren? Als ich noch an der Uni gearbeitet habe, war sonnenklar, dass eine Formulierung wie „typische Messergebnisse sehen Sie hier“ mindestens euphemistisch gemeint war – natürlich enthielt die Präsentation liebevoll von Hand sortierte Messergebnisse, die besonders gut zur Theorie passten.

Und natürlich kommt der Arbeitsgruppenleiter mit auf die Autorenliste der Veröffentlichung, auch wenn er eigentlich nichts für das Paper getan hat. Hat sich das wirklich radikal geändert? Würde mich wundern. Auch Wissenschaftler sind nur Menschen. Sie sollten also ein bisschen aufpassen, dass sie nicht von dem hohen Ross fallen, das sie jetzt reiten wollen. (wst)