Ein Jahr Enquete-Kommission: Friede, Freude, Adhocracy

Auf ein "spannendes und erfolgreiches" erstes Jahr blickt die vom Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" zurück. Doch müssen sich Netzwelt und Politikbetrieb weiter aneinander gewöhnen.

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Von
  • Falk Lüke

Ein "Alles in allem sehr spannendes und erfolgreiches Jahr" sei es gewesen, sagt Axel Fischer. Vor einem Jahr setzte der Deutsche Bundestag die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" ein, deren Vorsitz der Karlsruher CDU-Abgeordnete übernommen hat. Ähnlich äußern sich die anderen Mitglieder: mühsam aber lohnenswert sei die Arbeit. Bisher tagte das Gremium zu den Themen Datenschutz, Urheberrecht, Netzneutralität und Medienkompetenz. Doch die inhaltliche Diskussion ist noch längst nicht am Ende, und einige große Streitpunkte stehen erst noch an. In wenigen Wochen will die Kommission einen ersten Zwischenbericht vorlegen.

Lars Klingbeil (SPD) pflichtet dem Vorsitzenden bei: "Es war richtig, die Enquete einzusetzen, auch wenn wir in einigen Feldern noch nicht richtig vorangekommen sind." Auch der FDP-Abgeordnete Sebastian Blumenthal hält die Enquete-Kommission für einen Erfolg: "Ich bin positiv überrascht, wie konstruktiv und pragmatisch wir miteinander umgehen, insbesondere auch mit den Sachverständigen. Mit vielen, auch von anderen Fraktionen, kann ich wunderbar sprechen. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, ist der gegenseitige Respekt vorhanden."

Blumenthal und Klingbeil sind zwei der jungen Abgeordneten, die nun für den digitalen Aufbruch im Bundestag stehen sollen. Die Vorwahlepisode um "Zensursula" von der Leyen und die Sperrdebatte und die 847.870 Stimmen, die die Piratenpartei aus dem Stand bei der Bundestagswahl erhalten hatte, waren für die etablierten Parteien Drohkulisse genug, um sich aktiv mit Netzpolitik auseinandersetzen zu wollen. Für manche der Parteien geht es dabei auch um Schadensbegrenzung und Neupositionierung: "Wir haben als SPD natürlich auch unsere netzpolitische Geschichte, da hat man sich nicht immer mit Ruhm bekleckert", sagt Klingbeil.

Doch nicht nur die politischen Altlasten sind für die Enquete teilweise problematisch. Auch die Arbeitsweise des Bundestages stellte sich mehrere Male als wenig internetaffin heraus: Tempo und technische Möglichkeiten der Verwaltung erwiesen sich immer wieder als Bremsklötze für die ambitionierten Pläne der Enquete-Mitglieder, zuletzt beim Streit um die Einführung der Software AdHocracy für eine Diskussionsplattform: von der gesamten Enquete gemeinsam gefordert, fiel diese erst einmal im Informations- und Kommunikationsausschuss des Ältestenrats durch.

Blumenthal sieht darin jedoch kein Versagen der Bundestagsverwaltung uns spricht von einem "Gewöhnungsprozess" an das "ungewohnte Tempo". "Wenn ein Gremium da vorprescht, dann reicht es nicht aus, den Finger auf die Verwaltung zu richten. Es ist unsere Aufgabe, das auch intern zu erklären." Erst unter externem Druck entstand nun doch ein Kompromiss. Für den Vorsitzenden Fischer ist die Einrichtung ein wichtiger Schritt: "Der Einsatz einer Beteiligungssoftware wie Adhocracy ist ein Novum in der Arbeit einer Enquete-Kommission, und auch der Deutsche Bundestag als Verfassungsorgan betritt damit Neuland."

Im Arbeitsauftrag für die Enquete-Kommission sind viele große Themenkomplexe der digitalen Welt enthalten. Konstantin von Notz, der für die Grünen in der Kommission sitzt, hält den anstehenden Zwischenbericht für einen Knackpunkt: "Wir liegen sehr eng im Zeitplan und es ist eine mühsame Arbeit die gemeinsamen Papiere zu erstellen und die vielschichtigen Meinungen der Fraktionen und Sachverständigen im Konsens zusammenzubinden. Man muss sehen, ob das so gelingt." Ob dies überhaupt funktionieren kann, ziehen einige Mitglieder in Zweifel. Zu weit lägen die Positionen der Beteiligten auseinander, wie mit Minderheitenvoten umgegangen werden soll ist noch nicht abschließend geklärt.

Und ob dies innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens möglich ist, steht ebenfalls in den Sternen. In der Frage, ob die Arbeit der Kommission gegebenenfalls verlängert werden sollte, herrscht Uneinigkeit. Der Vorsitzende Axel E. Fischer (CDU) betont die Kommission werde die vom Bundestag gesetzten Fristen einhalten. Das sieht Blumenthal von der FDP anders: "Angesichts dessen, was der Bundestag an inhaltlichen Punkten mit auf den Weg gegeben hat" sei die Zeit "zu knapp bemessen". Von Notz pflichtet ihm bei und schlägt vor, der Enquete "eher etwas mehr Zeit" zu geben.

Laut Arbeitsplan der Enquete-Kommission wird es künftig um Themen gehen wie etwa die Auswirkungen des Netzes auf die Arbeitswelt. "In der zweiten Runde kommen die gesellschaftlich-politischen Themen", sagt Klingbeil. "Daran müssen wir uns auch messen lassen, ob wir da die Debatte weiterbringen können." Für die Beteiligten Abgeordneten und die Sachverständigen könnte dieser Teil einfacher werden. Die bisherigen Themen waren häufig zeitgleich auch Gegenstand regulärer Parlamentsdebatten – was auch zu besonderen Interessenlagen in dem Gremium führte.

"Die Opposition hat natürlich das Interesse, dort auch das Tagesgeschäft kritisch zu begleiten", sagt Koalitionsvertreter Blumenthal. Der Grüne von Notz sieht das etwas anders. Für ihn ist innerhalb der Enquete ein Konsens nur möglich, wenn die Beteiligten sich vom parteipolitischen Tagesgeschäft lösen. Er ist "skeptisch", ob "die progressive Grundhaltung" aller Enquete-Mitglieder "auch in den fraktionsübergreifenden Berichten Ausdruck finden wird". Insbesondere die Koalitionsvertreter seien immer wieder gezwungen, Rücksicht auf ihre Fraktionen zu nehmen.

Inzwischen ist der mediale Trubel, der die Enquete seit der ersten Sitzung begleitet, weitgehend verebbt. Trotzdem seien die Themen im Bundestag nun präsenter, sagt Klingbeil. Er werde nun von Bundestagskollegen häufig eingeladen, um über Netzthemen in deren Wahlkreisen zu sprechen. Für ihn ein gutes Zeichen: "Das zeigt, dass eine hohe Aufmerksamkeit da ist und sich alle Parlamentarier mit den Themen beschäftigen. Es geht ja nicht darum, dass wir in der Enquete sitzen und sonst keiner etwas mitbekommt."

Der gegenseitige Lernprozess gehe für alle Beteiligten weiter, darin sich sich Abgeordnete und Sachverständige einig. Der Vorsitzende Axel E. Fischer hat für die weitere Arbeit noch einiges vor: "In erster Linie wünsche ich mir, dass wir inhaltlich etwas vorlegen, das über den Tag hinaus weist. Das ist bezogen auf das Internet ein ziemlich unbescheidener Wunsch, denn die Politik ist den Entwicklungen bisher ja eher hinterher gelaufen."

Siehe dazu auch in c't Hintergrund:

(vbr)