Liebe Intendanten der Fernsehanstalten

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Liebe Intendanten der Fernsehanstalten,

die Feuilletons überschlagen sich vor Lob angesichts neuer amerikanischer Serien wie "Boardwalk Empire" oder "Breaking Bad". Der Spiegel nennt sie gar "die größten Kunstwerke der Gegenwart". Nach einer ausführlichen Beschreibung der Handlung schließt der Artikel "Wie viel Sünde darf es sein?" mit dem Satz: "Der Zuschauer allerdings muss dafür ins Bezahlfernsehen wechseln, zum Spartensender TNT Serie (Sendetermin: ab 2. Februar immer mittwochs 20:15 Uhr). Oder aber auf die DVD-Box warten."

Bei diesem Satz könnt ihr weiterhin die Köpfe in den Sand stecken, denn die Fans sind euch eh um Jahre voraus. Die Serie "My Name is Earl" hatte seinerzeit eine ähnlich große Fanbasis wie derzeit "The Big Bang Theory". Als RTL sie endlich ausstrahlte - drei Jahre nach Erscheinen in den USA, nach Mitternacht und schlecht synchronisiert -, war die Sau längst wieder aus dem Dorf hinausgerannt.

Problem Nummer 1: Serienfans wollen das Material dann sehen, wenn es in den USA ausgestrahlt wird, allenfalls einen Tag später. Das Internet, liebe Intendanten, ist auch in diesem Jahr wieder weltweit zugänglich und teilt jedem mit, was wann läuft. So offenbart es, dass selbst der Bezahlsender TNT "Boardwalk Empire" erst ein halbes Jahr nach dem Erscheinen in den USA zeigt. Gut, ihr wartet, ob die Serie Erfolg hat, bei Mitarbeitern wie Scorsese und Buscemi kann man aber einen Vertrauensvorschuss geben. Die Fans wollen nicht Monate oder Jahre warten und tun daher das Gleiche, was vermutlich viele Feuilleton-Redakteure tun: Sie bedienen sich anderer Wege.

Problem Nummer 2: Eingeschworene Serienfans wollen die Folgen im Original sehen, denn die deutsche Fassung hat schon so manche Kultserie ramponiert - die gibt es unbehandelt aber allenfalls bei Spartensendern wie TNT Serie. In der Synchronisation verliert Steve Buscemi mindestens die Hälfte seiner unnachahmlichen Schmierigkeit. Sätze wie "Ey, Mann, ey, ich bin ein Cop" wirken außerdem lächerlich - so redet niemand mit Verstand.

Übrigens sind Serienfans keine notorischen Raubkopierer, die einfach Geld sparen wollen. Ganz im Gegenteil: Was sich kaufen lässt, ordern sie etwa über iTunes, andere nutzen kostenpflichtige Filesharing-Dienste wie UseNeXT oder Premium-Accounts von Rapidshare - weil es schnell geht und das Material so vorliegt, wie sie es wollen: im Original, in HD-Auflösung und mit optionalen Untertiteln.

Lernt daraus! Zeigt die Serien zeitnah! Bietet auch im Free-TV den Originalton an statt drei redundanter deutscher Audiospuren! Wie wäre es mit einem Spartensender, der nur Originalfassungen ausstrahlt? Anglophile Zuschauer sind ein Nischenpublikum? Das sind Volksmusikfans in meinen Augen auch, die werden aber bedient, oder? Stellt das Zeug kostenpflichtig und mit einem für jeden Nutzer durchschaubaren Geschäftsmodell zum Download! Dann verdient ihr Geld und wir kommen zu euch zurück. Ansonsten müsst ihr euch die Frage gefallen lassen: Wie viel Sünde darf es sein? (akr)