Es hat sich ausgenewst

Die Telekom will ihren Zugang zum traditionsreichen Usenet abschalten.

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Von
  • Peter Glaser

Die Telekom will ihren Zugang zum traditionsreichen Usenet abschalten.

Ende März will die Deutsche Telekom AG den Betrieb ihres bei der Internet-Tochter T-Online vorgehaltenen Newsservers news.t-online.de einstellen. Blogger und Fans der Usenet-Nachrichten haben den auf einer Telekom-Hilfeseite vergrabenen Hinweis entdeckt und protestieren nun dagegen, dass ihr Lieblingsnetzareal abgeklemmt werden soll. Als Begründung für die geplante Abschaltung vermerkt T-Online, dass "die Bedeutung des Usenets in den letzten Jahren stark abgenommen" habe und viele Nutzer daher lieber Online-Foren präferierten.

Zwischen einem Webforum und einer Newsgroup gibt es allerdings grundlegende Unterschiede. Das weiß sogar die Telekom: "Im World Wide Web liegen Inhalte in der Regel jeweils auf nur einem Server und werden bei jedem Zugriff auch von diesem abgerufen. Das Usenet funktioniert anders. (...) Ein an eine weltweite Newsgroup gesandter Beitrag wird nicht nur einmal gespeichert, sondern auf tausende Newsserver rund um den Erdball kopiert bzw. gespiegelt." Die Beiträge in einem Forum dagegen bleiben lokal gespeichert. Fällt der Server aus, auf dem ein Forum liegt, gibt es keinen Zugriff mehr auf die Nachrichten.

Das Netz ändert sich. Mit dem Geotargeting etwa werden schon seit längerem wieder nationale Grenzen im offenen Netzraum gezogen. In manchen Gebieten dürfen bestimmte Dinge nicht oder nur in bestimmter Form angeboten werden – per Geolocating kann daraus ein technisch realisiertes Online-Glücksspielverbot werden, aber auch Zensur und Filterung wie im chinesischen Netz. Frei, demokratisch und ohne Hierarchien sollte die Welt der Zukunft sein – und das Internet sollte dieser Leitvorstellung Gestalt geben. Es schenkt den Menschen heute ein Gefühl federleichter Beweglichkeit. Viele wünschen sich, dass damit auch die Nationalstaaten verschwinden, von denen im Lauf der Geschichte viel Unheil ausgegangen ist. Ein Weltstaat, so die Vision, würde den Planeten von der Bürde des Kriegs befreien und enorme kulturelle und wirtschaftliche Kräfte freimachen. Schaurig ist allerdings die Vorstellung der Zentralbürokratie, die mit einem Weltstaat verbunden wäre.

Die Welt wird durch das Netz nicht einfacher, aber vielfältiger, so war es zumindest bisher. Das Internet ist allerdings vor allem deswegen so schnell gewachsen, weil es einen weltweiten Markt geschaffen und ermöglicht hat. Märkte aber sind nicht darauf ausgelegt, das zu tun, was demokratische Politik und Gemeinsinn leisten können. "Niemand wird hunderte Millionen Dollar im öffentlichen Interesse investieren", so der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende des Kabelkonzerns TCI, John Malone, in einer legendären Anmerkung, "Wenn jemand diese Haltung vertritt, fliegt er raus." Das Usenet – um den Exkurs wieder auf die News zu bringen – war der Ort, an dem jenes große Experiment begonnen hat, das zeigen soll, wie Menschen online miteinander umgehen sollen und wollen. Was sich vor ein paar Jahren "Web 2.0" und etwas neuer "Social Media" zu nennen begann, hat seine Wurzeln im Usenet. Dabei geht es nicht um Computerfolklore, sondern vor allem um den Wert der gewonnenen Erfahrungen.

Als in den 80er Jahren das Usenet immer umfassendere Dimension angenommen hatte und die Zahl der Newsgroups in die Zehntausende ging, waren neben der sozialen Vision "Die Vielen sprechen erstmals zu den Vielen" auch zunehmend Klagen über die ungefilterten Informationsmassen, das zunehmenden Weiße Rauschen und über Trolle und andere neue Formen des Sozialversagens laut geworden. Gern übersehen wird, dass schon damals gut abgestufte Mittel entwickelt wurden, der unterschiedlichen Probleme Herr zu werden. Moderatoren kümmerten sich um Gruppen und Themen, an denen ihnen gelegen war. Der Gastlichkeit für Neulinge als auch der Vermeidung unnötiger Redundanz wegen wurde die wunderbare neue Aggregationsmethode der FAQs erfunden. Wer wissen will, wie das Netz tickt, ist mit einem Spaziergang durch das Usenet nach wie vor gut beraten.

Aficionados von news.t-online.de haben nun übrigens einen eigenen Newsserver eingerichtet. Hier kann man sich dafür anmelden. (bsc)