USA: Lauschangriff und höhere Gefängnisstrafen für Marken- und Urheberrecht

Die US-Regierung will Rechte an Geistigem Eigentum besser durchsetzen, mehr und höhere Strafen herbeiführen sowie eine neue Urheberrechtsabgabe einführen.

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Inhaltsverzeichnis

Die US-Regierung will Rechte an Geistigem Eigentum (Intellectual Property, kurz IP) besser durchsetzen, mehr und höhere Strafen herbeiführen sowie eine neue Urheberrechtsabgabe einführen. Nun hat das Weiße Haus eine konkrete Liste von Wünschen von Gesetzesänderungen veröffentlicht (PDF Datei). Auch sollen ausländische Gesetzgeber zu Exportverboten gedrängt werden. Die Regierung will auch wissen, welcher Bürger welche Medikamente bezieht. Zudem wird dem Congress Unterstützung bei der Verschärfung der Internet-Zensur zugesichert.

"Im Ausland angesiedelte und vom Ausland kontrollierte Web Services" gäben Anlass zu besonderer Sorge, heißt es in dem 20 Seiten starken Dokument. "Wir wissen, dass Abgeordnete die Gesetzesdurchsetzungsautorität zum Kampf gegen Websites erhöhen wollen, die dazu genutzt werden rechtsverletzende Produkte zugänglich zu machen oder zu verbreiten. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit dem Congress in diesem Bereich." In letzter Zeit beschlagnahmen die US-Behörden häufig Internet-Domains von Streaming-Websites, was der US-Regierung offenbar nicht genug ist. Konkret geplante Maßnahmen werden aber nicht genannt.

Eine wichtige Rollen spielen dabei die US Sentencing Guidelines. Nach diesen Richtlinien sollen US-Bundesgerichte den Umfang verhängter Strafen für schwerere Vergehen (ab 6 Monaten Strafdrohung) und Verbrechen bemessen. Entscheidend sind dabei die Vorgeschichte des Angeklagten und der "Offense Level", also der Vergehensintensität. Von der Einordnung hängen auch eine vorzeitige Haftentlassung sowie ein Zwang zum Gefängnisaufenthalt ab. Seit diese Richtlinien vom Obersten Gericht für unverbindlich erklärt wurden, fallen die verhängten Strafen häufiger höher aus.

Die US-Regierung will wesentlich mehr Verletzer Geistigen Eigentums als bisher hinter Gittern sehen. Von 2004 bis 2010 seien nur 762 von 1469 Verurteilten auch zu Gefängnisstrafen verurteilt worden, beklagt das Weiße Haus. Daher sollen die Sentencing Guidelines sowie eine eigene Richtlinie für die Verletzung von Urheber- und Markenrecht geändert werden. Die Details soll die zuständige Kommission ausarbeiten.

Zur Erhöhung der Offense Levels und/oder der Festsetzung eines (höheren) Mindest-Levels hat das Weiße Haus genaue Vorstellungen zu einem weiten Feld an Rechtsverletzungen: Diebstahl von Betriebsgeheimnissen und Wirtschaftsspionage, verstärkt wenn Informationen ins Ausland gelangen; Verletzung Geistigen Eigentums durch Banden oder organisierte Kriminelle; gefälschte Medikamente, auch wenn dabei kein Gesundheitsrisiko besteht; der Verkauf illegaler Produkte für die Nutzung in den Bereichen Sicherheit, Militär, Rechtsdurchsetzung und "anderer kritischer Anwendungen". Dabei sollen bloß indirekte Beeinträchtigungen nicht erfasst werden. So solle etwa der Verkauf illegaler Computerchips für Verteidigungssysteme sehr wohl, der Verkauf einer gefälschten Druckerpatrone an ein Militärbüro für sich alleine aber nicht zu einem ausdrücklich erhöhten Offense Level führen.

Vorstrafen aus dem Bereich des Geistigen Eigentums sollen generell zu einer höheren Strafbemessung führen als andere, gleich hohe Vorstrafen. Schließlich sollen die höchstmöglichen Strafen für Wirtschaftsspionage (auf 20 Jahre) sowie im Bereich gefälschter Medikamente erhöht werden. Illegale Webstreams bereitzustellen soll ausdrücklich zu einem Verbrechen erklärt werden. Da Streams im rechtlichen Sinn keine Kopie, sondern eine öffentliche Vorführung darstellen, habe es hier vor Gerichten Probleme gegeben. Auch die Nutzung "anderer ähnlicher neuer Technik" soll ein Verbrechen darstellen, was als unklare Definition im Strafrecht besonders heikel ist.

Das Ministerium für innere Sicherheit (DHS) soll ermächtigt werden, bei Kriminalermittlungen rund um Urheber- und Markenrecht auch Lauschangriffe durchzuführen. Damit soll die Nutzung von Wanzen und Kameras vor Ort, das Belauschen von Telefongesprächen und das Überwachen von Datenübertragungen ermöglicht werden, wenn ein Richter es genehmigt.

Zudem soll der Datenschutz gelockert werden, damit die Behörden mehr Informationen mit Rechteinhabern austauschen können. Die Rechteinhaber sollen helfen festzustellen, ob ihre Rechte von fremden Produkten verletzt werden oder ob fremde Geräte zur Umgehung von Schutzmaßnahmen (wie etwa DRM) genutzt werden können. Werden Waren wegen vermuteter Rechtsverletzung beschlagnahmt, werden gefälschte Medikamente entdeckt oder befiehlt die Internationale Handelskommission der USA einen Importstopp für ein Produkt, sollen die Rechteinhaber informiert werden. Sie sollen dadurch eigene, zivilrechtliche Klagen gegen die vermuteten Rechtsverletzer einbringen können. Gleichermaßen sollen Informationen über Geräte zur Umgehung von Schutzmaßnahmen ausgetauscht werden, damit schneller Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Die Rezeptpflicht-Regeln für Online-Apotheken sollen verschärft werden, so dass auch nicht kontrollierte Substanzen unter die Rezeptpflicht fallen. Solche Rezepte sollen dann ebenfalls nur nach persönlicher Untersuchung durch einen Arzt (auch mit Telemedizin) ausgestellt werden dürfen. Alle Medikamente sollen von der Produktion bis zum Endabnehmer verfolgt werden. Es soll immer gespeichert sein, wo welches Medikament ist, was nicht nur den Vertrieb gefälschter Produkte erschweren sondern auch den Rückruf erleichtern soll. Das bedeutet, dass die Behörden wissen wollen, welche Person welche Medikamente erworben hat. Ohne konkreten Lösungsvorschlag wird darauf hingewiesen, dass auf Befürchtungen der Einschränkung der Privatsphäre eingegangen werden muss und zu regeln sein wird, wo diese Daten gespeichert werden und wer darauf Zugriff hat.

Bei den Verwaltungsstrafen will das Weiße Haus ebenfals an den Daumenschrauben drehen: Der Import gefälschter Ware soll vom US-Zoll nicht mehr nur bei Beschlagnahme der Ware bestraft werden können. Sollte sich bei einer Buchprüfung in einem Unternehmens herausstellen, dass es in der Vergangenheit gefälschte Ware importiert hat, sollen auch dann noch Strafen verhängt werden können. Darüber hinaus soll der Export gefälschter Ware strafbar werden. Dies will die US-Regierung dann nutzen, um andere Staaten dazu zu drängen, ihrerseits den Export für strafbar zu erklären.

Reumütigen Bürgern, die unwissentlich und unabsichtlich gefälschte Güter gekauft haben, sollen in Zukunft straffrei bleiben können, wenn sie die Sachen vor Einleitung eines Verfahrens dem Zoll zur Zerstörung übergeben.

Am Ende des Forderungskatalogs steht die Einführung einer neuen Urheberrechtsabgabe. Wird in den USA ein Werk im Radio übertragen, muss die Radiostation bisher an die Inhaber der Rechte am Werk an sich (etwa Autoren, Komponisten, Texter) etwas bezahlen, nicht aber an die das Stück konkret aufführenden Interpreten (etwa Musiker, Sänger, Vortragende) Tantiemen entrichten. Dies wurde mit der hohen Werbewirkung der Radiopräsenz begründet – die Interpreten müssen nichts für die durch die Sendung erhaltene Werbewirkung zahlen, bekommen aber (bislang) auch kein Geld dafür. Bei Internet-Streams fällt hingegen schon jetzt auch eine Gebühr für die Interpreten-Rechte an.

In den meisten Industriestaaten profitieren die Inhaber der Aufführungsrechte aber auch direkt von terrestrischen Radioübertragungen. US-Interpreten sind davon bisweilen ausgenommen, weil ausländische Interpreten in den USA ja auch nichts bekommen. Damit mehr Urheberrechtsabgaben aus dem Ausland in die USA fließen, soll daher nun auch in den USA eine Abgabe für die öffentliche Aufführung im Radio eingeführt werden. (anw)