Streitfall Urlaub

Jedes Jahr das gleiche Drama: Alle wollen Urlaub und alle wollen ihn im Sommer. Hier erfahren Sie, nach welchen Kriterien der Arbeitgeber entscheiden muss und welche Rechte Arbeitnehmer haben.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Endlich Urlaub! Bevor der Arbeitnehmer mit seiner Familie in die Ferien aufbrechen kann, muss er allerdings erst einen Urlaubsantrag bei seinem Arbeitgeber stellen. Dabei kommt es immer wieder zum Streit mit Vorgesetzten oder Kollegen, weil Urlaubsanträge nicht genehmigt oder Kollegen angeblich "bevorzugt" werden. Über die rechtlichen Aspekte des Verfahrens klärt Rechtsanwalt Alexander Bredereck im Interview mit heise resale auf.

Darf der Arbeitgeber die Urlaubsanträge nach Belieben genehmigen oder gibt es bestimmte Kriterien, anhand derer er entscheiden muss?

Bredereck: Das Bundesurlaubsgesetz verpflichtet den Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs, ausdrücklich die Wünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen (§ 7 Abs. 1 BurlG). Nur wenn dringende betriebliche Belange der Gewährung des Urlaubs in dem verlangten Zeitraum entgegenstehen, kann der Arbeitgeber die Gewährung verweigern. Das gilt zum Beispiel, wenn der jeweilige Arbeitnehmer aufgrund eines unvorhersehbar hohen Krankenstandes, etwa im Winter bei einer Grippewelle, dringend gebraucht wird. Im Einzelhandel wird man beispielsweise im Weihnachtsgeschäft oder beim Schlussverkauf als Arbeitnehmer auf Urlaub verzichten müssen.

Alexander Bredereck arbeitet seit 1999 als Rechtsanwalt und seit 2005 als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Bredereck Willkomm Rechtsanwälte in Berlin. Er ist Vorstand der Verbraucher- zentrale Brandenburg e.V. sowie Mitglied im Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. und Mitglied im Arbeitskreis Arbeitsrecht im Berliner Anwaltsverein e.V. Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist die Vertretung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Kündigungsschutzprozessen.

Was ist wenn nun zu viele Arbeitnehmer auf einmal in den Urlaub wollen und dadurch ein ordnungsgemäßer Betrieb gefährdet wird?

Bredereck: Hier muss der Arbeitgeber unter sozialen Gesichtspunkten abwägen, wem er den Urlaub gewährt. Hierbei sind Urlaubsmöglichkeiten des Partners des Arbeitnehmers ebenso zu berücksichtigen, wie Schulferien oder ein besonderer Erholungsbedarf.

Bedeutet das, dass kinderlose Singles niemals in den Sommerferien verreisen können?

Bredereck: Nein. Es ist immer eine Betrachtung im Einzelfall vorzunehmen. Wenn der betroffene Mitarbeiter jahrelang erfolglos seinen Sommerangelurlaub in Schweden beantragt hat, wird auch mal die Mutter einer vierköpfigen Familie zurückstehen müssen. Das ist aber im Einzelfall schwierig abzugrenzen.

Stimmt.

Bredereck: Ein vernunftgetragenes Miteinander im Betrieb kann durch die besten arbeitsrechtlichen Regelungen nicht ersetzt werden.

Gibt es auch Fälle, in denen der Arbeitgeber unbedingt Urlaub gewähren muss?

Bredereck: Ja, zum Beispiel wenn der Arbeitnehmer zu Kur war und für die Zeit unmittelbar danach den Urlaub verlangt. Das kann der Arbeitgeber nicht verweigern.

Manche Arbeitgeber bestehen darauf, dass der Urlaub sehr früh, beispielsweise schon Anfang des Jahres komplett eingereicht werden muss. Dann kommt aber monatelang kein Feedback. So kann man kurzfristig noch umdisponieren, schließlich war der Urlaub ja nicht genehmigt. Ein beliebter Trick so mancher Arbeitgeber. Müssen sich Arbeitnehmer diese Unsicherheit gefallen lassen?

Bredereck: Nein, der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber auf Urlaubsgewährung für einen bestimmten Zeitraum verklagen. Ist es sehr eilig, etwa weil der Flug bereits gebucht ist, geht dies auch im Rahmen einer einstweiligen Verfügung.

Innerhalb welchen Zeitraums muss eine Genehmigung oder Ablehnung des Urlaubs erfolgen?

Bredereck: Der Arbeitgeber muss über den mündlichen Antrag sofort entscheiden. Bei schriftlichen Anträgen kann er sich etwa 7 bis 10 Tage Zeit lassen. Äußert er sich innerhalb der Frist nicht, gilt der Antrag als abgelehnt. Sagt er dann später doch zu gilt dies als neues Angebot, dass der Arbeitnehmer erst annehmen muss. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch das Schweigen des Arbeitgebers als Zustimmung gedeutet werden, zum Beispiel weil dies in den vergangenen Jahren immer so gehandhabt wurde. Hier sollte man als Arbeitnehmer aber lieber auf Nummer sicher gehen.

Kann man einfach in den Urlaub fliegen, wenn der Arbeitgeber sich trotz mehrmaliger Aufforderung nicht äußert?

Bredereck: Man kann zwar fliegen, aber häufig wird das ein Doppelflug. Man fliegt nämlich auch aus dem Job. Ein eigenmächtiger Urlaubsantritt kann unter bestimmten Voraussetzungen eine (fristlose) Kündigung rechtfertigen. Wer unbedingt weg will, sollte rechtzeitig den Urlaub beantragen und den Urlaubsanspruch gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen.

Bleibt ein Arbeitnehmer, der aufgrund dieses langen Schweigens von einer Genehmigung ausging und Urlaub gebucht hat, auf den Kosten sitzen?

Bredereck: Wenn der Urlaubsantrag nach den obigen Kriterien als abgelehnt galt: ja. Sonst hat er einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber.

Die meisten Arbeitnehmer müssen inzwischen Überstunden leisten. Sich diese auszahlen zu lassen, lohnt sich finanziell oft nicht, daher würden sie lieber einen Freizeitausgleich nehmen. Haben die Mitarbeiter denn die Wahl? Oder müssen sie hinnehmen, dass der Arbeitgeber den Freizeitausgleich verweigert und auf der Auszahlung besteht?

Bredereck: Das kommt zunächst auf die Regelungen im Arbeitsvertrag an. Finden sich dort keine Regelungen sind die Überstunden grundsätzlich zu vergüten. Ein Freizeitausgleich kann nicht ohne weiteres gefordert werden. Etwas anderes gilt aber auch hier, wenn die Handhabung in der Vergangenheit oder bei den Kollegen entsprechend anders erfolgt. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)