Arbeiten in mehreren Ländern der EU: Welches Arbeitsrecht gilt?

Der Europäische Gerichtshof hat in einem aktuellen Urteil die Rechte von Arbeitnehmern gestärkt, die in mehreren Ländern tätig sind oder deren Arbeitgeber aus dem EU-Ausland stammen.

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Von
  • Marzena Sicking

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs hat am 15. März 2011 ein Urteil gefällt, das für alle Arbeitnehmer wie beispielsweise Außendienstmitarbeiter relevant ist, die häufig im Ausland arbeiten bzw. bei einer Firma angestellt sind, die ihren Hauptsitz im Ausland hat. Demnach findet bei einem Arbeitnehmer, der seine Tätigkeit in mehreren Mitgliedstaaten ausübt, das Recht des Mitgliedsstaates Anwendung, in dem er seine beruflichen Verpflichtungen im Wesentlichen erfüllt (Az.: C - 29/10).

Im Streitfall ging es um einen Mann mit Wohnsitz in Osnabrück, der von einer Firma angestellt wurde, bei der es sich um eine Gesellschaft nach luxemburgischem Recht handelt. Für diese war er als Kraftfahrer tätig und dabei auch häufig im Ausland unterwegs. Seine Fahrten gingen in erster Linie von Deutschland nach Dänemark und zurück. Im Arbeitsvertrag des Mannes stand, dass im Falle eines Rechtsstreits das luxemburgische Recht Anwendung findet und auch die dortigen Arbeitsgerichte zuständig seien. Ein Büro in Deutschland hatte die Firma nicht.

Nachdem die Firma eine Reorganisation angekündigt hatte, wählten die in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer einen Betriebsrat. Der Kläger wurde Ersatzmitglied, prompt wurde ihm gekündigt. Dagegen klagte er zunächst vor dem Arbeitsgericht Osnabrück, das sich nicht zuständig fühlte. Also klagte er vor dem Arbeitsgericht Luxemburg, verlangte aber dort die Berücksichtigung des deutschen Arbeitsrechts, insbesondere den besonderen Schutz von Betriebsratsmitgliedern. Dies wurde abgewiesen und der Mann klagte bis zum Berufungsgerichtshof Luxemburg, das die Angelegenheit schließlich dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorlegte. Hier ging es grundsätzlich um die Frage ob das Recht dieses Staates als das "Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet" anzuwenden sei, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit in mehreren Staaten verrichte, aber regelmäßig in einen von ihnen zurückkehrt.

Der EuGH hat nun entschieden, dass beim Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der seine Tätigkeiten in mehreren Mitgliedsstaaten der EU ausübt, das Recht des Mitgliedsstaates Anwendung findet, in dem er seine beruflichen Verpflichtungen im Wesentlichen erfüllt. Dabei seien sämtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die diese Tätigkeit ausmachen. Zwar unterliegen Arbeitsverträge nach dem sogenannten "Übereinkommen von Rom" dem von den Parteien gewählten Recht. Diese Rechtswahl dürfe nach Ansicht des EuGH jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm zustünde, wenn keine bestimmte Rechtswahl getroffen worden wäre. Oder anders ausgedrückt: Der Arbeitnehmer darf durch die Klausel, welches Arbeitsrecht anzuwenden ist, nicht schlechter gestellt werden, als wenn es sie nicht gäbe. Und gibt es die Klausel im Arbeitsvertrag nicht, dann gilt automatisch das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer "gewöhnlich seine Arbeit verrichtet" oder, wenn er seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung des Arbeitgebers befindet.

Was diese Entscheidung nun für das deutsche Recht bedeutet, erklärt der Düsseldorfer Fachanwalt für Arbeitsrecht Karsten Haase, Leiter des Fachausschusses "EU-Arbeitsrecht" des VdAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V.: "So klar und nachvollziehbar die Argumentation des EuGH auch sein mag, so sehr stellt seine Rechtsprechung die nationalen Arbeitsgerichte doch vor zum Teil erhebliche Probleme in tatsächlicher Hinsicht. Denn diese müssen nun anhand einer weiten Auslegung und anhand einer Fülle von Tatsachen und Anknüpfungspunkten jeweils im Rahmen von ausschließlichen Einzelfallentscheidungen mühselig ermitteln, an welchem Ort die wesentlichen bzw. die überwiegenden Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers erbracht werden." (Marzena Sicking) / (map)
(masi)