Wer krankgeschrieben ist, darf nicht gekündigt werden – oder?

Halbwissen kann gefährlich werden. Insbesondere, wenn man sich damit auf juristisches Glatteis begibt. Wir nennen Ihnen die häufigsten Rechtsirrtümer und erklären, wie es wirklich ist.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Der Chef beruft die Belegschaft zu einer Vollversammlung ein, nuschelt etwas von Wirtschaftskrise, Synergieeffekten und einer notwendigen Restrukturierung des Unternehmens. Jedem Arbeitnehmer ist klar: hier stehen Kündigungen auf der Agenda. In der Firma funktioniert daraufhin nur noch der "Flurfunk" und jeder ist damit beschäftigt, sich auszurechnen, ob es ihn erwischt. Erste Gerüchte um Entlassungslisten machen die Runde. Und auch über Kündigungsvermeidungsstrategien wird gesprochen. Sich noch schnell in den Betriebsrat wählen lassen? Schwanger werden? Oder sich einfach krank melden? Schließlich darf einem Arbeitnehmer, der krank geschrieben ist, in dieser Zeit nicht gekündigt werden. Also muss man sich nur wochenlang krank schreiben lassen und abwarten, bis die Kündigungswelle an einem vorbeigeschwappt ist. Oder?

Dass krankgeschriebene Mitarbeiter einen besonderen Kündigungsschutz genießen, ist eine unter Arbeitnehmern weitverbreitete Ansicht. Und damit einer der häufigsten Irrtümer im Arbeitsrecht. Wer sich krankschreiben lässt und zu Hause bleibt, schützt sich sicher vor der belastenden Atmosphäre, die in solchen Fällen am Arbeitsplatz herrscht, aber leider nicht vor einer möglichen Kündigung, wie Rechtsanwalt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin, erklärt: "Auch wenn der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist, kann der Arbeitgeber kündigen. Die Kündigung ist nicht allein wegen der Krankheit unwirksam. Es gelten vielmehr die allgemeinen Voraussetzungen, unter denen eine Kündigung wirksam ist."

Das bedeutet, dass auch einem krankgeschriebenem Arbeitnehmer betriebsbedingt, personenbedingt oder verhaltensbedingt gekündigt werden kann. Bei einer betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber unter anderem nachweisen, dass der Arbeitsplatz weggefallen ist. Bei einer personenbedingten Kündigung ist der Beweis erforderlich, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft im Betrieb nicht mehr eingesetzt werden kann. Und bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss ein entsprechendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers nachgewiesen werden – die mehrfache Ankündigung, jetzt mal krank zu feiern (und es dann auch zu tun), kann übrigens durchaus als solches gewertet werden, also seien Sie lieber vorsichtig mit solchen Äußerungen.

In das Reich der Legenden gehört es auch, dass ein kranker Arbeitnehmer fristlos entlassen werden darf, weil er sich trotz Krankschreibung vor die Tür getraut hat und/oder für den Arbeitgeber nicht erreichbar war. Rechtsanwalt Bredereck: "Selbst wenn der Arbeitgeber Zeugen hat, die den Arbeitnehmer beim Einkaufen getroffen haben, heißt das noch nicht, dass der Arbeitnehmer nicht arbeitsunfähig war." Sondern im Zweifelsfall nur, dass auch Kranke mal etwas essen müssen. Den Gang zur Apotheke oder zum Bäcker kann Ihnen also niemand verwehren. Auch kann der Spaziergang an der frischen Luft der Heilung ebenso förderlich sein, wie der Besuch im Fitness-Studio oder der Kurztrip nach Sylt. Entscheidend ist, woran Sie erkrankt sind und welche Verhaltensempfehlungen Sie vom Arzt erhalten haben. An die sollten Sie sich dann auch genaustens halten und alles unterlassen, was den Heilungsprozess verzögern könnte. Für eine Kündigung taugt solch vorbildliches Arbeitnehmerverhalten sicherlich nicht. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)