MSH/Redcoon-Deal: Besser als ein Sechser im Lotto

Offiziell wird zwar kein Preis genannt, aber die Summen, die durch den Raum geistern, sind hoch. Zwischen 100 und 600 (!) Millionen Euro soll Media-Saturn für den Online-Shop Redcoon gezahlt haben. Die Redcoon-Altgesellschafter haben ausgesorgt.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Redcoon-Geschäftsführer Reiner Heckel,

Redcoon-Chef Reiner Heckel

(Bild: Redcoon)

Sie müssen ein sehr glücklicher Mensch sein. In der vergangenen Woche haben Sie Ihr Unternehmen für viel Geld an die Media-Saturn-Gruppe (MSH) verkauft. Für wie viel Geld genau, das weiß man nicht, da die beteiligten Parteien den Mantel des Schweigens über den Kaufpreis gelegt haben. Aber dass sich MSH die Redcoon-Übernahme einiges hat kosten lassen, das steht fest. Auf dem Scheck aus Ingolstadt soll Medienberichten zufolge eine Zahl irgendwo zwischen 100 und 600 (!) Millionen Euro stehen. Ich bin sicher, dass Sie angesichts dieses warmen Geldregens erst einmal ordentlich gefeiert haben. Wie auch Ihr Mitgesellschafter Hannes Majdic. Der Elektrohändler aus Kärnten war mit einem Viertel oder einem Drittel (die Angaben schwanken) an Redcoon beteiligt und fühlt sich jetzt, nach dem Verkauf seiner Anteile, als gemachter Mann. "Ich trage gerade mein Hawaii-Hemd", scherzte er nach der Vertragsunterzeichnung am Telefon der Kollegen vom österreichischen Elektrojournal.at. Bereits im Februar hatte er demselben Online-Dienst gesagt: "Wenn der Verkauf über die Bühne ist, habe ich ausgesorgt und kann das Unternehmertum als Hobby betreiben."

Lieber Herr Heckel, das dürfte auch für Sie eine Herausforderung darstellen: Als Multimillionär noch genauso begeistert und mit demselben Biss wie bisher die Redcoon-Geschäfte weiterzutreiben. Bin gespannt, ob Ihnen das gelingt. Gut, die MSH-Leute aus Ingolstadt kennen ja ihre Pappenheimer und legten Wert darauf, dass Sie – wie die Geschäftsführer der lokalen Media-Markt- und Saturn-Läden auch – mit zehn Prozent an Redcoon beteiligt bleiben. Ich nehme sogar an, dass die Ingolstädter Kaufleute die endgültige Bezahlung des Kaufpreises davon abhängig gemacht haben, wie sich Redcoon in den kommenden drei Jahren entwickeln wird. Das ist ja eine übliche Klausel in den Verträgen, um die Motivation des Altgesellschafters in der Position des Geschäftsführers hoch zu halten. Mal sehen, ob´s klappt. Als ehemaliger MSH-Manager – unter anderem Geschäftsführer von Media-Markt Niederlande – wissen Sie ungefähr, was in den kommenden Monaten auf Sie zukommt. Aber ob es Ihnen dann wirklich so passt, dass Sie nicht mehr allein bestimmen, wo der Hase hinläuft, und ob Sie wirklich Lust haben, wöchentliche Berichte nach Ingolstadt zu schicken oder sogar zum Rapport zu erscheinen, das wird sich erst noch zeigen.

Der Druck oder nennen wir es lieber die Erwartungen, die auf Ihren Schultern lasten, sind jedenfalls groß. Schon in zwei Jahren, so ist zu lesen, will MSH mindestens zwei Milliarden Euro im Online-Business umsetzen. Das ist eine Hausnummer! Der Umsatz von Redcoon betrug ja im vergangenen Jahr rund 350 Millionen Euro. Was MSH mit den eigenen Online-Shops umsetzt (Pilotprojekte in Österreich und Niederlande), ist nicht bekannt, dürfte aber kaum ins Gewicht fallen. Jetzt haben die Ingolstädter – zum wievielten Mal eigentlich? – angekündigt, in den kommenden Monaten zusätzlich einen eigenen Saturn-Onlineshop aufzumachen. Schau´n wir mal. Die Skepsis, das lauthals angekündigte Umsatzziel von zwei Milliarden Euro zu erreichen, ist in der Branche groß. Mir ist auch schleierhaft, warum sich das MSH-Management soweit aus dem Fenster lehnt. Ich meine, sollten die nicht erst einmal kleine Brötchen backen und zeigen, dass sie im Online-Geschäft überhaupt etwas zustande bringen? Aber nein, sie blasen sofort zum Angriff auf die Marktführer. Irgendwie aber auch wieder typisch für die Lautsprecher aus Ingolstadt, nicht wahr? Die können einfach nicht anders. Muss so eine genetische Geschichte sein.

Lieber Herr Heckel, ich bin ziemlich zuversichtlich, dass Sie wegen der Erwartungen Ihres neuen Hauptgesellschafters keine Bauchschmerzen bekommen werden. Immerhin haben Sie im Gegensatz zu den MSH-Leuten gezeigt, dass Sie im Online-Bereich etwas auf die Beine stellen können und werden dementsprechend selbstbewusst auftreten. Weil das MSH-Management irgendwann selbst kapiert hat, dass Sie Online einfach null Plan haben, hatten sie ja mit Home-of-Hardware-Gründer Martin Wild bereits vor Wochen einen Experten an Bord geholt. Ich hoffe, dass sich Wild nach dem Redcoon-Kauf nicht überflüssig vorkommt. Oder ist er jetzt am Ende gar Ihr Chef? Wenn ja, dürfte sich daraus eine, sagen wir mal so, interessante Zusammenarbeit entwickeln.

Ach übrigens: Nicht nur Sie und Ihr Kompagnon Majdic sind derzeit gut drauf. Auch Julian Riedlbauer, bekannt unter anderem als ehemaliger Geschäftsführer der comTeam-Systemhauskooperation, freut sich gerade ein Loch in den Bauch. Denn seine Firma Corporate Finance Partners hat den Deal zwischen MSH und Redcoon eingefädelt und über die Bühne gebracht. Dafür lässt sich Riedlbauer in den sozialen Netzwerken Xing und Facebook gebührend feiern.

Lieber Herr Heckel, für Sie ist mit dem Verkauf Ihres Unternehmen etwas wahr geworden, wovon Tausende von Firmengründern träumen, gerade im Internet-Umfeld: Eine Firma gründen, sie möglichst schnell groß und bekannt machen, und dann für richtig viel Geld verkaufen. Leider bleibt es für die meisten oft nur ein Traum. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich mehrmals am Tag zwicken, um sich zu vergewissern, ob das alles wirklich kein Traum ist, was gerade passiert.

Beste Grüße

Damian Sicking

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