In letzter Minute

Eine Menge Probleme ließen sich vermeiden, wenn der Steuerzahler sich rechtzeitig an die ihm gesetzten Fristen halten würde. Das zeigt auch ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts Hamburg.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 12 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Es gibt Menschen, die können einfach nicht anders. Statt sich rechtzeitig um den Papierkram zu kümmern, schieben sie alles bis zur letzten Minute vor sich her und kommen dabei ganz schön ins Schleudern. Das behördliche oder gerichtliche Fristen aber keine Diskussionsgrundlage sind, musste jetzt eine Klägerin vor dem Finanzgericht Hamburg erfahren. Und auch, dass man auf die üblichen Ausreden der Betroffenen ebenfalls gut vorbereitet ist.

In seinem jetzt veröffentlichten Urteil (vom 08.12.2010, Az.: 2 K 194/10) hatte der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg die Frage zu entscheiden, ob eine Klagefrist durch den Einwurf eines Schriftsatzes in einen Nachtbriefkasten des Gerichts gewahrt wurde oder nicht.

Es ist leider nicht bekannt, weshalb der Anwalt der Klägerin es bis zum letzten Tag nicht geschafft hat, die Dokumente während der Öffnungszeiten des Gerichts einzureichen. Aber die Idee, sie in den Nachtbriefkasten zu werfen, war gar nicht mal so schlecht. Die Frist lief schließlich erst um Mitternacht ab und ob sich da noch jemand im Gericht befand oder nicht, sollte wohl nicht sein Problem sein – könnte man meinen.

Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin in den Nachtbriefkasten eingeworfene Klageschrift trug allerdings folgenden Eingangsstempel: "Entnommen aus dem Gerichtsbriefkasten am 7. Oktober 2010 bei Dienstbeginn (in den Kasten gelangt nach 24 Uhr des vorhergegangenen Werktags)." Damit war das Dokument zu spät eingegangen, die Klagefrist war verstrichen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin behauptete allerdings, die Dokumente gegen 22:00 Uhr – also noch rechtzeitig – in den Nachtbriefkasten eingeworfen zu haben.

Das dazugehörige Verfahren lehrt Außenstehende vor allem eines: Bei Gericht ist man auf solche Fälle bestens vorbereitet, zumindest in Hamburg. So können im betreffenden Haus der Gerichte außerhalb der Öffnungszeiten fristwahrende Schriftsätze tatsächlich über einen Nachtbriefkasten eingereicht werden. Allerdings wird um 24:00 Uhr eine Klappe in den Briefkasten eingelassen, so dass die bis Mitternacht eingeworfenen Sendungen unterhalb der Klappe liegen, während die Sendungen, die nach 24:00 Uhr in den Nachtbriefkasten gelangt sind, oberhalb liegen. Wird der Inhalt entnommen, ist somit klar erkennbar, ob der Einwurf rechtzeitig geschah oder nicht.

Obwohl der Anwalt versicherte, die Dokumente rechtzeitig eingeworfen zu haben, wollte das Gericht die Möglichkeit, dass dem zuständigen Beamten, der den Briefkasten geleert hat, ein Fehler unterlaufen sei, nicht in Betracht ziehen.

Der 2. Senat hat die Klage als unzulässig abgewiesen und dies unter anderem damit begründet, dass der Eingangsstempel eines Gerichts eine öffentliche Urkunde darstellt. Ein formell ordnungsgemäßer Eingangsstempel einer Behörde erbringe dem Urteil zufolge grundsätzlich den "vollen Beweis" für Zeit und Ort des Eingangs eines Schriftstückes. Der nach § 418 Abs. 2 ZPO mögliche Gegenbeweis der Unrichtigkeit einer öffentlichen Urkunde erfordere den vollen Nachweis eines anderen Geschehensablaufs. Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen genügen demnach nicht. Der Anwalt hätte vielmehr "jegliche Möglichkeit ihrer Richtigkeit" ausschließen müssen – was ihm nicht möglich war, denn er konnte keinen Beweis für den Einwurf um 22 Uhr erbringen. Selbst wenn Zweifel bleiben sollten, bleibt die Beweislast beim Kläger.

Wenn es um die Einhaltung behördlicher oder gerichtlicher Fristen geht, sollte man also lieber nicht davon ausgehen, dass es auch hier heißt: "im Zweifel für den Angeklagten..." (masi)