Denn sie wissen, was sie tun

Datenschützer haben Apple ins Visier genommen und beklagen mit drastischen Begriffen wie "Geiselnahme" und "Erpressung" die Zwangsaktivierung beim iPhone. Auch die Location Based Services im iOS werden von den Aktivisten kritisch gesehen und als "Schnüffelei" gebrandmarkt. Doch viele iPhone-Anwender pfeifen auf die Einlassungen der Bedenkenträger.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 206 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christoph Dernbach

Über einen Mangel an Auszeichnungen kann sich Apple nicht beklagen. Zuletzt räumten die Kalifornier in Hannover beim Wettbewerb "iF product design award 2011" des Internationalen Forums Design sechs Preise ab, darunter auch für das iPhone 4. Doch während die IF-Preise von Apple-Mitarbeitern aus München artig und regelmäßig abgeholt werden, um sie an das Team von Star-Designer Jony Ive nach Cupertino zu schicken, fand sich bei der jüngsten Preisverleihung an Apple in Bielefeld kein Gast aus der deutschen Apple-Niederlassung ein. Kein Wunder, denn schließlich wurde Apple hier – zusammen mit Facebook, Daimler, der Zensuskommission und dem Deutschen Zoll – als "Datenkrake" an den Pranger gestellt.

Den wenig begehrten BigBrotherAward bekam 2011 unter anderem Apple verliehen.

Der Bürgerrechtsverein Foebud begründete die Verleihung der Negativauszeichnung des "BigBrotherAward 2011" an Apple in der Kategorie Kommunikation mit dem De-facto-Zwang, das iPhone für eine vollständige Nutzung beim Hersteller mit einer Apple-ID oder einem iTunes-Account aktivieren zu müssen. Außerdem rieben sich die beiden Laudatoren Frank Rosengart und Andreas Bogk an Apples Datenschutz-Bedingungen für die Erhebung von Standort-Daten auf dem iPhone.

Leider vergriffen sich die beiden Aktivisten bei ihrer Preisbegründung bei aller berechtigten Kritik etwas im Ton: Sie warfen Apple eine "Geiselnahme ihrer Kunden mittels teurer Hardware" vor und sprachen von einer "Erpressung" wegen der notwendigen Zustimmung zu den AGBs und den Datenschutz-Bestimmungen. Nach dieser Logik könnte sich auch ein Käufer eines Audi A8 beschweren, dass er "erpresst" werde, für seine Fahrten auch noch den Sprit kaufen zu müssen, obwohl er dem Autohändler schon so viel Geld für den Wagen bezahlt hat.

Die Kritik an der nach dem Kauf notwendigen Sofortaktivierung des iPhone via iTunes ist sicherlich gerechtfertigt. Die widerspricht auch einem erklärten Ziel von Apple, die Bedienung eines Produktes so unkompliziert wie möglich zu machen. Und bei einem Smartphone wie dem Palm Pre funktioniert die Aktivierung "over the air", ohne dass man das Handy an einen Rechner anschließen muss.

Wer sich nicht orten lassen möchte, kann die Einstellung pro App deaktivieren.

Doch jedem iPhone-Käufer ist klar, dass man das Gerät nur richtig ausreizen kann, wenn man sich irgendwann bei iTunes anmeldet, um im App Store Anwendungen herunterzuladen. Das hat Apple auch nie verschwiegen, sondern stets als einen Bestandteil des gesamten Produktkonzeptes herausgestellt. Wer aus grundsätzlichen Überlegungen heraus nicht bei iTunes einkaufen möchte, kann sich für ein Gerät mit einem anderen Betriebssystem entscheiden. Es gibt genügend Konkurrenz, die größere Freiheiten mit allen Vor- und Nachteilen einräumt, auch wenn andere Hersteller wie Microsoft bei Windows Phone 7 inzwischen auf das bedienerfreundlichere Konzept von Apple mit einem mehr oder weniger strikt kontrollierten App Stores umsteigen.

Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Alexander Dix, geht in seinem aktuellen Jahresbericht sogar noch einen Schritt weiter als die Foebud-Aktivisten und warnt ganz grundsätzlich vor dem Einsatz von Anwendungen auf Geräten wie dem iPhone: "Vernetzte Smartphone-Apps bergen die Gefahr, dass personenbezogene Daten Dritten zugänglich gemacht werden. Das geschieht zum Teil automatisch und ohne Wissen der Nutzer – wo bleibt da der Datenschutz?", fragt Dix.

Das Problem hat der Datenschützer "in der Kombination aus permanentem Internetzugang und der Fähigkeit, auf die im Smartphone gespeicherten Daten zugreifen zu können" ausgemacht. Man könnte auch sagen, dass gerade diese Kombination den Reiz jedes vernünftigen Smartphones ausmacht. Aber in Deutschland jubeln wir seit der Einführung des Farbfernsehens nicht mehr über technische Innovationen. Und beim Berliner Datenschützer sind die Gläser ohnehin stets halbleer: "Was die App mit diesen Daten neben der Erfüllung ihrer eigentlichen Aufgaben macht, kann der Nutzer kaum kontrollieren."

Ohne den Namen "Apple" oder "iTunes" zu nennen, räumt der Datenschutzbeauftragte immerhin ein, dass der "AppStore" dem Plattformbetreiber die Kontrolle der Anwendungen ermögliche. Durch diese "Zugangskontrolle" könnten "zumindest prinzipiell gefährliche und besonders datenhungrige Anwendungen von der Plattform ferngehalten werden". Doch richtig zufrieden ist Dix damit auch nicht: "Leider macht man sich dabei von den Kriterien eines privaten Unternehmens abhängig. Andererseits erfährt der Plattformbetreiber so auch besonders viel über die Nutzenden – jede Installation, ggf. auch jede Nutzung einer App – und speichert diese Daten beispielsweise für Abrechnungszwecke." Meine Güte, könnte man denken, was für eine Sauerei, dass diese datengierigen Plattformbetreiber die verkauften Apps auch noch abrechnen wollen.

Zurück nach Bielefeld: Die Verleiher des Negativpreises konnten es gar nicht fassen, dass noch keine offene Revolte unter den Apple-Usern ausgebrochen ist: "Da sich offenbar nicht genug Kunden bei Apple über die Praxis bei der Verwendung der Kundendaten beschwert haben, tun wir dies hiermit und verleihen den BigBrotherAward in der Kategorie Kommunikation an die Apple GmbH in München", endete die Laudatio.

Aber vielleicht fühlt sich die Mehrheit der Anwender eines iPhones auch gar nicht in einer Opferrolle? Die Beschaffung der Anwendungen über den App Store mag manche Nachteile haben, doch die meisten Apple-Kunden wissen genau, was sie tun. Sie schätzen beispielsweise den Komfort des Online-Stores und die großzügigen Bedingungen zur Übertragung gekaufter Apps auf mehrere Mobilgeräte, während sie in der Ära vor dem iPhone gekaufte Apps häufig nur für ein einziges Handy fummelig aktivieren konnten.

Die meisten iPhone-Besitzer wissen auch, wie man bei den Positionsdaten die eigene Privatsphäre wirkungsvoll schützen kann. Sie können nämlich selbst festlegen, ob das Smartphone überhaupt seinen Standort ermitteln darf oder nicht (Einstellungen/Ortungsdienste). Und wenn ein iPhone-User die Ortungsdienste zulässt, kann er für jede einzelne App festlegen, ob dieses Programm und der damit verbundene Anbieter die Position des Handys erfahren darf oder auch nicht. So kann jeder Anwender für sich entscheiden, ob er sein geparktes Auto oder ein Leih-Fahrrad der Bahn in der Großstadt mit Hilfe des iPhones aufspüren möchte. Will man sich am Online-Geo-Spiel Foursquare beteiligen oder es lieber bleiben lassen? Möchte man in der Lage sein, ein verloren gegangenes iPhone auf einer Karte lokalisieren? Sollen die Fotos, die mit dem iPhone aufgenommen werden, ein Geo-Tag enthalten oder nicht? Sollen Twitter oder Facebook wissen, wo man sich gerade aufhält, oder nicht? Der User entscheidet, nicht Apple. (se)