re:publica: Braucht die digitale Gesellschaft die "Digitale Gesellschaft"?

Auf der Berliner Netzpolitik- und Blogger-Konferenz wurden die Hintergründe und Motive erläutert, die zur Gründung der Kampagnen- und Lobby-Plattform "Digitale Gesellschaft führten. Kritik an den Plänen wurde aber ebenfalls laut.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 63 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Wie berichtet ist mit dem Start der Bloggerkonferenz re:publica der Verein "Digitale Gesellschaft" an die Öffentlichkeit getreten. In einem überfüllten Raum erläuterte Markus Beckedahl, Mitveranstalter der re:publica und Mitgründer des Vereins, die Motive zur Einrichtung dieser Lobby- und Kampagnenplattform. Die Kritik an seinen Plänen war sehr zurückhaltend. Bemängelt wurde vor allem das intransparente Vorgehen ohne vorherige Diskussion im Kommunikationsnetz der digitalen Gesellschaft.

Das Wordle mit der Twitter-Auswertung, das eine PR-Agentur an jedem Tag der re:publica in die Redaktionen der Republik schickt, ist eindeutig: re:publica ist nach Berlin das größte Wort, gefolgt von Internet-Gesellschaft, Friedrichstadtpalast und Spaß. Als Name sticht Beckedahl hervor, das bekannteste Gesicht der deutschen Netzpolitik. Markus Beckedahl hat mit 20 Berliner Mitstreitern den Verein "Digitale Gesellschaft" gegründet und für heise online die Gründe aufgefächert, warum ein solcher Verein gebraucht wird. In einem kurzen halbstündigen Vortrag erläuterte Beckedahl die Hintergründe und Motive, die zur Gründung des bald als gemeinützig anerkannten Vereins "Digitale Gesellschaft" führten. So erfuhren die Zuhörer erstaunt, dass zu den Berliner Gründungsmitgliedern auch Akademiker gehören, die indes nicht öffentlich zum Verein stehen können, weil sie Repressalien befürchten. Die meistgehörten Worte waren "effektiv" und "effizient".

Die "Digitale Gesellschaft" will eine Kampagnenplattform sein, die Ad-hoc-Kampagnen umsetzen kann, die nicht nur für Nerds gedacht sind. "Wir wollen eine andere Herangehensweise, auch so, dass wir unsere Eltern erreichen können. Jeder ist heute von der Netzpolitik betroffen, auch die, die noch nicht im Internet sind", erklärte Beckedahl. Es komme vor allem darauf an, effektiver zu werden und Aktionen nicht dem Zufall zu überlassen, wenn ein Nerd eine Website bastele, ein anderer eine Mailingliste aufsetze und beide zusammen ohnehin in einem Coder-Projekt verschwinden. "Wir brauchen keine großen Strukturdebatten zu führen, wir wollen erst einmal eine Grundstruktur haben. In 10 Jahren kann es zu spät sein", erklärte Beckedahl weiter. "Wenn man keine Basisstruktur hat, dann hat man ein heilloses Chaos."

Was die "Digitale Gesellschaft" leisten könnte, versuchte Beckedahl anhand der ersten Kampagne des jungen Vereins zu zeigen. #Warum? fordert dazu auf, einfache Fragen zu stellen, hinter denen komplexe netzpolitische Probleme stehen. Ausgerechnet Beckedahl selbst tritt bei dieser Fragerunde mit einer denkbar problematischen Frage an: "Warum gibt es nicht 1 Prozent der Rundfunkgebühren fürs Netz?" Hier wird die historisch obsolete GEZ, von der sich die Politik mit pauschalen "Haushaltsabgaben" verabschiedet, für ein Kommunikationsnetz in Anspruch genommen, das sich nach der Kommerzialisierung eines vormals geschützten Wissenschaftsbetriebes von kostspieligen Zugangsregelungen bis zur Flatrate entwickelte. Ob die "Haushaltsabgabe" nicht selbt problematisch ist angesichts der privatwirtschaftlichen Preisfindung der Internet-Anbieter, wird ausgespart.

Bislang bekannt gewordene Kritik an der "Digitalen Gesellschaft" bezieht sich darauf, dass der Zusammenschluss mit anderen Initiativen nicht gesucht wurde. Die bislang schönste Bestätigung des Ansatzes lieferte die re:publica selbst. Beim Vortrag "Wake the Blog" über möglicherweise diffamierende Begriffe wie Datenkrake, dem Demo-Maskottchen des FoeBuD, fragten sich die Referentinnen Sanja Stankovic und Carolin Neumann, welcher Zusammenschluss gegen derartig missliebige Formulierungen vorgehen könnte. Sie kamen zum Schluss, dass die "Digitale Gesellschaft" als Verband erfolgsversprechend sein könne, wenn es in Zukunft darum gehen werde, neue Begriffe zu setzen. "Warum wird diskriminierend vom 'Internet-Aktivisten' geredet, wenn es nur um Menschen geht, die im Netz leben?" könnte die entsprechende Frage bei #Warum? lauten. (jk)