EU-Generalanwalt: Keine Internetsperre ohne Gesetz

Nach Ansicht des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof darf ein Internetprovider nicht durch richterliche Anordnung dazu verpflichtet werden, Internetfilter und -sperren zum Schutz vor Urheberrechtsverletzungen einzurichten.

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Von
  • Kai Paterna

Nach Ansicht (PDF-Datei) des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) darf ein Internetprovider nicht durch richterliche Anordnung dazu verpflichtet werden, Internetfilter und -sperren zum Schutz vor Urheberrechtsverletzungen einzurichten. Ohne entsprechende gesetzliche Grundlage sei eine solche Anordnung ein Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta.

Hintergrund ist ein Rechtsstreit der belgischen Verwertungsgesellschaft Sabam gegen den ebenfalls belgischen Internetprovider Scarlet Extended SA. Scarlet war bereits im Jahre 2007 verurteilt worden, Urheberrechtsverletzungen seiner Kunden mittels Tauschbörsen-Programmen zu unterbinden, soweit Musikwerke aus dem Sabam-Repertoire betroffen sind. Das von Scarlett daraufhin angerufene Berufungsgericht hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein auf diesem Wege einzuführendes Filter- und Sperrsystem mit EU-Recht, insbesondere der EU-Grundrechtecharta, vereinbar sei.

In seinem Schlussantrag stellt der Generalanwalt Cruz Villalón zunächst fest, dass die umstrittene Anordnung eine Filterung aller Datenübertragungen im Scarlet-Netz bedeuten würde. Zudem müsse Scarlet eine Sperre für jene Datenpakete einrichten, die urheberrechtlich geschützte Inhalte transportieren. Die Maßnahme betreffe damit nicht nur Scarlet-Kunden, sondern auch solche Internetnutzer, die Daten an die Kunden senden oder von ihnen empfangen. Darüber hinaus weist der Generalanwalt darauf hin, dass eine solche Verpflichtung mittelfristig auf alle Internetprovider ausgedehnt werden könnte. Diesen werde damit die rechtliche und wirtschaftliche Verantwortung für den Kampf gegen Raubkopien im Internet übertragen.

Aus diesen Gründen sieht der Generalanwalt verschiedene Rechte aus der EU-Grundrechtscharta verletzt, nämlich das Recht auf Beachtung des Kommunikationsgeheimnisses, das Recht auf Schutz personenbezogener Daten sowie die Informationsfreiheit. Ein solcher Eingriff sei nach Unionsrecht nur zulässig, wenn er auf einer "zugänglichen, klaren und vorhersehbaren gesetzlichen Grundlage" beruhe. Die belgische Gesetzesgrundlage, auf welcher Scarlett verurteilt worden war, erfülle diese Anforderungen aber nicht.

Der Generalanwalt empfiehlt dem EuGH deshalb festzustellen, dass Internetprovidern auf Grundlage des belgischen Rechts keine derart umfangreiche Datenfilterung- und sperre auferlegt werden kann. Die Schlussanträge sind für den EuGH zwar nicht bindend, nehmen aber einigen Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Gerichts.

Nach deutschem Recht haften Accessprovider grundsätzlich nicht für durchgeleitete Daten. In Paragraf 8 des Telemediengesetzes (TMG) heißt es hierzu: "Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie 1. die Übermittlung nicht veranlasst, 2. den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und 3. die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben." Außerdem sind Internetprovider gemäß Paragraf 7 TMG nicht verpflichtet, die Daten auf rechtswidrige Inhalte zu untersuchen. Einer Anordnung, wie sie im vorliegenden Fall das belgische Gericht erlassen hat, würde folglich hierzulande ebenfalls die gesetzliche Grundlage fehlen. (hob)