re:publica - das Happening der digitalen Szene

Vom 13. - 15. April fand in Berlin die re:publica statt – der deutsche Treffpunkt für BloggerInnen, Netz- und MedienaktivistInnen und anderes Personal aus der digitalen Gesellschaft.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Bernd Oestereich

Vom 13. bis 15. April fand im Berliner Friedrichstadtpalast zum fünften Mal die re:publica statt – der deutsche Treffpunkt für rund 3.000 BloggerInnen, Netz- und MedienaktivistInnen, Twitterer, JournalistInnen, ManagerInnen, EntwicklerInnen und anderes Personal aus der digitalen Gesellschaft.

Das Happening (eher das "Wacken der Mediensoziologen" als eine Konferenz) umfasst mit über 250 SprecherInnen ein wunderbar breites Themenspektrum von Kunst, Medien und Kultur über Politik und Technik bis hin zu Entertainment: "Das Internet als Gesellschaftsbetriebssystem", "Neues aus der Trollforschung", "How Feminist Digital Activism Is Like the Clitoris", "Krieg im Netz - Stuxnet, Wikileaks und Bloggen von der Front", "Löten, Malen, Musizieren", "The Dark Side of UX Design", um mal einige Beispiele zu nennen.

Stellvertretend möchte ich meine inhaltlichen Eindrücke zum Themenkomplex Urheber- und Nutzungsrechte näher wiedergeben.

Der Umgang mit Ideen und Kreativität hat sich geändert. Die Bezüge und Nutzungen vorhandener Werke und Ressourcen sind vielfältiger geworden, was auch mit deren Verfügbarkeit zu tun hat. Das regt an, sich mit den Werken anderer kreativer auseinanderzusetzen, umzugestalten, weiterzuentwickeln, neu zu arrangieren et cetera. Kollektive Schöpfungen nehmen zu. Durch die Möglichkeiten des Internets wird die Masse kreativ. Die Unterscheidung zwischen (wenigen) Produzenten und (vielen) Konsumenten verwischt, ist durchgängiger und weniger relevant, der Prosument oder Produser wird Standard. Till Kreutzer zeigte in seinem Vortrag "Wir sind Urheber" ein paar bekannte nicht ganz legale künstlerische Kreationen, beispielsweise die Obama-Popart-Verfremdung "Hope" von Shepard Fairey.

Das bestehende, seit über 50 Jahren kaum weiter entwickelte Urheberrecht sieht das nicht vor, sondern enthält Zustimmungsgebot und Bearbeitungsverbot. Die alten Verwertungsindustrien blockieren kreative Nutzungen. Der Aufwand der hochkomplizierten Rechteklärung und -absicherung im Rahmen der bestehenden Regelungen (Rechtemanagement) ist für Laien und immer mehr auch für Profis organisatorisch nicht mehr zu leisten und steht in keinem angemessenen Verhältnis zum Ergebnis. Die Prämissen der alten Verwertungsindustrien (wenige Autoren, viele Nutzer) stimmen immer weniger.

Das alte Recht findet immer weniger Akzeptanz, was zusammen mit der höheren Anonymität des Internets auch zu erheblichen Durchsetzungsdefiziten führt – bekannt bereits aus der Musikindustrie. Das bestehende Urheberrecht ist mittlerweile mehr ein Schutz für alte Geschäftsmodelle, als dass es einen sinnvollen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessenspartnern regelt. Die Lobbyisten sprechen von Piraterie, obwohl sie einfach nur nicht wahrhaben wollen, dass das Internet auch ihre Welt geändert hat. Es dient immer mehr zur Verhinderung von Nutzungen als dazu, einen legitimen Ausgleich der Interessen zu fördern. Damit schadet es der Kreativität, modernen Kulturtechniken und der Wissenschaft.

Rechtsanwalt Till Kreutzer forderte deswegen die Einführung neuer Schrankenbestimmungen für "transformative Werknutzungen" auf EU-Ebene (InfoSoc-Richtlinie) sowie eine Orientierung an der Fair-use-Doktrin in den USA (Artikel 107 US-Copyright Act).

Wissenschaftlerin Jeanette Hofmann zeigte in ihrem Vortrag über Google Books eine ganz andere Konfliktlinie auf, nämlich die zwischen Eigentums- und Nutzungsrechten. Gedruckte Bücher werden bislang gekauft und Eigentum des Käufers. Die Käuferin kann es lesen, für private Zwecke kopieren, Anmerkungen zufügen, es an Freunde (nicht kommerziell) verleihen, wieder verkaufen, es mit anderen teilen oder zweckentfremdend unter das zu kurze Tischbein klemmen. Ein Buchkäufer musste sich faktisch auch nie Gedanken um das Urheberrecht machen. Mit dem Internet setzen Google und Co. nun aber Nutzungsrechte anstelle des Eigentumerwerbs. Und das ändert alles.

Die Nutzungsrechte übersteuern faktisch nicht nur das Urheberrecht, sie provozieren auch etliche elementare datenschutzrechtliche Fragen. Wenn beispielsweise das Lesen seitenweise abgerechnet wird oder ab bestimmten Seitenlimits andere Abrechnungsmodalitäten gelten, dann muss der Anbieter zur Durchsetzung seiner Rechte wahrscheinlich allerlei Daten sammeln. Wann wurden aus welchen Büchern welche Seiten gelesen, wie lange, wie oft et cetera. Unsere Lesegewohnheiten und Details der Nutzung werden einigen mächtigen Konzernen bekannt – und mir wird bei diesen Gedanken schlecht.

Atmosphärische Eindrücke zur re:publica hab ich als kurzen 4 minütigen Film auf Youtube bereitgestellt. ()