Schlimmer als schlimm?

Liebe AKW-Gegner: Es ist gar nicht nötig, ständig den Weltuntergang zu beschwören. Die Fakten sprechen für sich.

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Gestern habe ich einen Ausflug aufs Land gemacht: Zum AKW Grohnde, rund 50 Kilometer von Hannover entfernt – ganz schön dicht bei, aber im Zweifelsfall ist das ja noch immer außerhalb der Evakuierungszone. Und das Teil ist ja – wenn man die aktuelle Diskussion um die Abschaltung der ältesten Meiler zugrunde legt – geradezu brandneu: Ein Druckwasserreaktor der Vor-Konvoi-Baureihe, der 1984 in Betrieb gegangen ist und als einer der Reaktoren gilt, der europaweit bis heute die höchste Stromausbeute gebracht hat.

War alles fast wie früher: Jede Menge Menschen mit Anti-Atom-Fahnen, Vollkorn-Stullen, selbstgebackenem Kuchen und Eintopf gegen Spende und ein Trecker-Konvoi vor dem gut gesicherten Tor des idyllisch gelegenen Meilers. Nur das Wetter war besser als sonst – und es war beachtlich wenig Polizei vor Ort.

Ein bisschen nachdenklich hat mich allerdings gemacht, dass auch die Argumente die selben sind wie früher. Ich will hier gar nicht über Parolen reden wie „Gegen Atomkraft – für das Leben“. Aber maßgebende Teile der Anti-AKW-Bewegung setzen offenbar noch immer vor allem auf Alarmismus und die Kraft des Superlativs.

Wie problematisch dieses Mittel ist, wird nicht zuletzt am Vergleich des Unfalls von Tschernobyl mit dem GAU von Fukushima klar: Fast 25 Jahre lang galt Tschernobyl sozusagen als die ultimative Katastrophe der Atomwirtschaft: Tausende von Menschen sind an Krebs gestorben – ein ganzer Landstrich ist noch immer verseucht. Dann passiert das Undenkbare in Fukushima: nicht nur einer, sondern gleich drei Reaktoren mit Kernschmelze – und dazu noch kochende Endlagerbecken. Ist das schlimmer als Tschernobyl? In der Logik alarmistischer Argumentation muss es natürlich schlimmer sein, auch wenn in Tschernobyl ein Brand große Teile des hochradioaktiven Inventars über eine riesige Fläche verteilt hat, während das Containment in Fukushima – noch – halbwegs intakt ist.

Dabei ist es gar nicht nötig, ständig den Weltuntergang zu beschwören. Die Fakten sprechen für sich: Das AKW Grohnde beispielsweise hat es, laut Bundesamt für Strahlenschutz, seit seiner Inbetriebnahme 1984 auf 222 meldepflichtige „Ereignisse“ gebracht. Nicht schlecht, oder? Natürlich werden die Betreiber einwenden, dass es sich samt und sonders um Lappalien gehandelt hat. Aber eines haben die Ereignisse in Fukushima ganz wunderbar deutlich gemacht: Gerade die Verkettung verschiedener – einzeln möglicherweise beherrschbarer – Fehler kann ganz schnell eine ganz neue Qualität entwickeln. Ich würde mir daher auf Seiten der AKW-Gegner manchmal mehr Besonnenheit wünschen. Sie haben gute Argumente auf ihrer Seite – sie müssen sie aber auch nutzen. (wst)