ESL Pro Series: "Kein kausaler Zusammenhang zwischen Killerspielen und realer Gewalt"

Um 17:30 Uhr laufen die beiden Counter-Strike-Finalisten der ESL Pro Series Amok gegeneinander. Bei aller Aggressivität im Spiel wollen Gamer und Veranstalter nicht so recht glauben, dass sie deswegen im realen Leben eher zu Gewaltausbrüchen neigen.

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Von
  • dpa

Die Stimmung ist angespannt: Hoch konzentriert starren die Spieler des mousesports-Clans (mouz) auf ihre Bildschirme. Fünf junge Männer im Durchschnittsalter von 24 Jahren ringen um den Sieg im Computerspiel Counter Strike, das nicht erst seit dem Amoklauf von Emsdetten umstritten ist. Der Raum, in dem sie sitzen, ist spartanisch eingerichtet: Grauer Teppich, schwarze Stühle, weiße Backsteinwände. Doch Abwechslung gibt es im virtuellen Kampf zwischen Terroristen und einer Anti-Terror-Gruppe genug. Als das mouz-Team gegen die fünf Gegner aus dem Nachbarraum gewinnt, ist der Jubel riesig, aus dem anderen Raum dringt herbe Enttäuschung herüber. Schließlich haben die Verlierer – das Team SK Gaming – den Einzug in das Finale der Electronic Sports League (ESL), einer Wettkampf-Liga für Computerspieler, verpasst.

Der ESL-Wettkampf Pro Series, der am Wochenende in Köln in die Endrunde ging, gilt als die Königsklasse elektronischer Spielkämpfe. Hier treten die besten Computerspieler Deutschlands um Preisgelder im Gesamtwert von 165 000 Euro gegeneinander an. Dass Gewalt verherrlichende Spiele wie Counter Strike nach Vorfällen wie in Emsdetten immer wieder an den Pranger gestellt werden, nervt die Spieler. "Hier sind Teamgeist und Kommunikation gefragt", sagt Mouz- Mitglied Roman Reinhardt und wehrt sich gegen das Klischee des Turnierspiels, wonach es nur von vereinsamten, realitätsfernen Menschen gespielt werde. "Wenn man das allein spielt, ist das total langweilig". Fünf gegen fünf sei der normale Modus.

Seit dem Amoklauf, bei dem ein 18-Jähriger an seiner ehemaligen Realschule 37 Menschen verletzt und sich selbst getötet hatte, sind brutale, blutrünstige und waffenlastige Ego- und Taktik-Shooter- Spiele verschärfter Kritik ausgesetzt. "Die Schuld auf die Spiele zu schieben, ist einseitig", findet Spieler Reinhardt, der in Berlin Sozialpädagogik studiert. "Die Verantwortung liegt bei den Eltern und der Gesellschaft", pflichtet ihm Jan Saarmann vom ESL-Betreiber Turtle Entertainment bei. Er ist überzeugt: "Die Kausalität von Computerspiel und Gewalt ist völlig falsch."

Der Journalistik-Student räumt aber ein, dass die Spiele bei psychisch labilen und zu Gewalt neigenden Menschen in den falschen Hände sein könnten. "Doom 3 zum Beispiel ist wie ein Horrorfilm, nur als Spiel." Die Ego-Shooter-Spiele böten neben Detailtiefe eine große Entscheidungsfreiheit. "Es ist die Frage, was man daraus macht: Bei dem Spiel Grand Theft Auto kann ich entweder jemanden mit einem Baseballschläger zum Krüppel schlagen oder nur mit dem Auto durch die Gegend fahren." Ein "gesunder Geist" fände das Verprügeln rasch öde.

Es gebe immer wieder Spieler, die realitätsfern seien, meint sein Kollege Nils Röthemeier. So spielten viele das Online-Fantasy-Rollenspiel Warcraft 3, in dem man als Einzelspieler kämpft, stundenlang abgeschottet von der Außenwelt. Nicht zwangsläufig folge daraus ein Amoklauf. "Die Gewaltausbrüche muss man in größerem Zusammenhang sehen", zeigt sich Röthemeier überzeugt. Eltern müssten sich mehr damit auseinandersetzen, was ihre Kinder spielten, Alterskontrollen beim Verkauf der Spiele sollten konsequenter durchgeführt werden, fordert der 23-Jährige. "Auch die psychologische Betreuung in Schulen sollte verstärkt werden, damit Ausgeschlossene und "Verlierer" wahrgenommen und aufgefangen werden."

Während die Veranstalter über Emsdetten oder auch über das Massaker von Erfurt diskutieren, bei dem im April 2002 ein 19 Jahre alter Ex-Schüler mit einer Pistole insgesamt 16 Menschen erschoss, geht es auf der Turnierbühne weiter. Moderatoren kommentieren das Geschehen auf den Bildschirmen wie ein Fußballspiel. Bis zu 5000 Besucher kamen laut Saarmann zum Finalwochenende. Insgesamt 58 Spieler kämpften und ballerten um den Sieg, im Team oder allein. "Aber die gefährlichen Einzelgänger tauchen eh nicht hier auf. Da können wir nichts machen", sagt Saarmann. Die ESL zählt 600 000 Mitglieder – der Amokläufer von Emsdetten sei nicht registriert gewesen. (dpa) / (ola)