Microsoft übernimmt Skype: Meisterstück oder Milliardengrab?

Erst die Allianzen mit Yahoo, Facebook und Nokia, jetzt der Kauf von Skype: Microsoft schmiedet weiter einen Gegenpol zu Apple und Google. Ob die Milliarden-Wette des Windows-Riesen im Internet aufgeht, ist eine spannende Frage.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 210 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andrej Sokolow
  • Daniel Schnettler
  • dpa

Es ist ein Riesen-Zukauf mit Symbolkraft. Microsoft blättert überraschend viele Milliarden für den Telefon-Dienst Skype hin – dessen Funktionen eigentlich auch schon längst in eigenen Produkten des Windows-Konzerns stecken. Damit wird noch deutlicher, dass Microsoft kaum ein Preis zu hoch ist, um eine große Internet-Koalition gegen die erfolgreichen Rivalen Google und Apple zu bilden. Yahoo, Facebook, Nokia als Partner, jetzt auch noch Skype als künftige Firmensparte: Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft von Microsoft in der Internet-Ära.

So geizte Microsoft-Chef Steve Ballmer nach Bekanntgabe des Deals nicht mit großen Worten. "Heute ist ein großer Tag für Microsoft", verkündete er. Zusammen würden die Partner die Zukunft der Kommunikation prägen. Skype bringt dem Windows-Riesen jede Menge Nutzer sowie eine erprobte Technologie. Der Preis ist mit 8,5 Milliarden Dollar drastisch höher als alle Summen, die bei bisherigen Besitzerwechseln für Skype auf den Tisch gelegt wurden – und das obgleich Microsoft mit dem Windows Live Messenger ein Konkurrenzprodukt im eigenen Haus hat. Klar, mit dem Bargeld-Berg von 50 Milliarden Dollar, auf dem der Riese aus Redmond sitzt, ist die Übernahme leicht zu schultern. Aber hat es Microsoft wirklich so nötig?

Steve Ballmer und Skype-Chef Tony Bates geben die Übernahme bekannt.

Der Konzern, der die IT-Branche in den vergangenen Jahrzehnten wie kein anderer beherrschte, findet sich gerade in einer seltsamen Lage wieder: Die Kassen füllen sich jedes Quartal mit neuen Milliarden, die Geldmaschine Windows ist nach wie vor die dominierende Plattform auf dem PC-Markt – und doch steht das Computer-Urgestein Microsoft unter massivem Druck der viel jugendlicher wirkenden Rivalen Apple und Google.

Viele von Microsofts Problemen fangen mit einem kleinen "i" an, wie iPhone, iPad und iMac. Apple hat es nicht nur geschafft, mit dem iPhone den Handy-Markt umzukrempeln, sondern rief mit dem Erfolg des Tablet-Computers iPad auch gleich noch die "Post-PC-Ära" aus. Will heißen: Der klassische PC verliert an Bedeutung, schlanke mobile Geräte ersetzen ihn an vielen Stellen. So gewagt die These auch erscheinen mag, aktuelle Marktzahlen zeigen bereits, dass das iPad und die Ausbreitung der Smartphones den PC-Absatz bremsen.

Diese Entwicklung trifft Microsoft in seinen Grundfesten: Windows und Office sind nach wie vor die Gewinnbringer. Aktuelle Zahlen zeigen es deutlich. Bei 5,7 Milliarden Dollar lag der operative Gewinn in dem Ende März abgeschlossenen dritten Geschäftsquartal. Gut 2,7 Milliarden trug die Windows-Sparte bei, mehr als 3,1 Milliarden kamen vom Business-Bereich mit seinen Office-Lizenzen. Dagegen brannte das Internet-Geschäft wieder ein Loch von mehr als 700 Millionen Dollar in die Kasse – während Suchmaschinenprimus Google gleichzeitig immer neue Rekordgewinne vermeldet.

Seit Jahren schon versucht Microsoft, Anschluss an Google zu finden, inzwischen im Tandem mit dem Internet-Pionier Yahoo. Vor einigen Jahren war der Unmut schon so groß, dass Microsoft Yahoo für fast 50 Milliarden Dollar kaufen wollte. Zuletzt konnte Microsofts Suchmaschine Bing dem Rivalen Google zwar einige Prozentpunkte Marktanteil abringen. Doch für diesen kleinen Erfolg musste Microsoft teuer bezahlen, wie die Geschäftszahlen zeigen.

Bei den Smartphones krebst das Betriebssystem Windows Phone bei niedrigen Marktanteilen herum. Eine Allianz mit dem weltgrößten Handyhersteller Nokia soll die Wende bringen. Immerhin bescheinigen Experten der Microsoft-Plattform, sie funktioniere ordentlich. Aber ob das reicht, um gegen Kultgeräte wie das iPhone oder Googles Smartphone-Betriebssystem Android anzukommen, die bereits hunderte Millionen Fans weltweit gefunden haben? Microsoft ist spät dran.

Was genau hat Microsoft also davon, Skype für teuer Geld zu kaufen? Die grundlegenden Funktionen beherrscht der Softwareriese selbst und verdient mit der Technik bisher höchstens in homöopathischen Dosen Geld. Zum einen bekommt Microsoft auf einen Schlag die gut 660 Millionen registrierten Nutzer, zum anderen die über Jahre eingefahrene und weit verbreitete Technologie.

Mit Skype auf Windows-Smartphones hätten Microsoft und Nokia ein fertiges Gegenangebot zu Apples Facetime-Videotelefonie. Und noch mehr: Mit Skype würde Microsoft tief ins Territorium der Rivalen Apple und Google vorstoßen – denn Skype läuft schon heute millionenfach auf iPhone und Android-Handys.

Überdies könnte Skype in Verbindung mit Microsofts Spielkonsole Xbox den Sprung ins Wohnzimmer schaffen. Microsoft-Chef Steve Ballmer kündigte bereits an, Skype solle mit den eigenen Produkten vernetzt werden bis hin zum weit verbreiteten E-Mail-Programm Outlook. Auch Microsofts Partner Facebook dürfte an der Technologie interessiert sein: Denn das weltgrößte Online-Netzwerk will zur Kommunikationszentrale für seine mehr als 600 Millionen Nutzer werden. (vbr)