Oberirdische Lagerung von Atommüll wird auch in Deutschland diskutiert

Der niedersächsische Umweltminister Heinrich Sander hat die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, ob die oberirdische Lagerung von abgebrannten Brennelementen für 100 bis 150 Jahre für Deutschland in Frage kommt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 348 Kommentare lesen
Lesezeit: 2 Min.

Der niedersächsische Umweltminister Heinrich Sander hat die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, ob die oberirdische Lagerung von abgebrannten Brennelementen für 100 bis 150 Jahre für Deutschland in Frage kommt. Das berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ). Die Bundesregierung sollte diese Variante prüfen“, sagte Sander im Gespräch mit der HAZ. Eine solche Aufbewahrung böte die Chance, den Abfall bei einem späteren „wissenschaftlichen Fortschritt“ in einigen Jahrzehnten "womöglich als Energieträger zu nutzen".

Der "wissenschaftliche Fortschritt", der hier etwas vage angeführt wird, könnte beispielsweise in einer Weiterentwicklung von blei- oder salzgekühlten Reaktoren der vierten Generation bestehen, die mit ihrem Spektrum schneller Neutronen das Uran-238 in den abgebrannten Brennelementen in Plutonium wandeln und gleich als Kernbrennstoff nutzen. Denkbar wäre aber auch eine Weiterentwicklung der so genannten Transmutation, bei der langlebige und gefährliche Spaltprodukte durch Neutroneneinfang in kurzlebige und damit ungefährlichere Isotope gewandelt werden.

Mit seinem Vorstoß macht der niedersächsische Umweltminister sich eine Argumentation zu eigen, die zur Zeit besonders in den USA Konjunktur hat. Dort ist infolge des Fukushima-Unglücks eine Diskussion über den künftigen Verbleib des in den Kernkraftwerken anfallenden Atommülls in Gang gekommen. Eine Ende April veröffentlichte, interdisziplinäre Studie des MIT empfiehlt dazu eine radikale Lösung, berichtete Technology Review: Das Land solle abgebrannte Brennstäbe aus ihren Kernreaktoren für die nächsten 100 Jahre vor allem in Sicherheitsbehältern aus Beton und Stahl zwischenlagern. Damit sei genug Zeit, eine langfristige Endlagerlösung zu finden, schreiben die Autoren, Eine solche zentrale Zwischenlagerung sei dem geplanten, aber bis heute nicht realisierten Yucca-Mountain-Komplex, ebenso vorzuziehen wie der Lagerung in Abklingbecken oder vielen dezentralisierten und schlecht kontrollierbaren Fasslagern an AKW-Standorten.

Laut einem Bericht von Spiegel online steht der niedersächsische Umweltminister nicht allein da. Auch Experten wie der Karlsruher Geologe Frank Schilling machen sich für eine solche Zwischenlösung stark. Der Chef des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, lehnt die Idee allerdings ab. Die Zukunft sei zu unsicher, um Atommüll offen zu lagern, sagte König Spiegel online: Es gebe zudem keine Garantie, dass das politische System in Deutschland stabil bleibe. Der radioaktive Stoff drohe bei einer oberirdischen Lagerung "in die falschen Hände" zu gelangen. (wst)