Tepco: Brennstäbe waren kurz nach Erdbeben geschmolzen

Die Brennstäbe in Reaktor 1 der Atomruine in Fukushima sind offenbar schon 16 Stunden nach dem starken Erdbeben zum größten Teil geschmolzen. Die Probleme in dem Reaktor könnten schon mit dem Beben und nicht erst nach dem Tsunami begonnen haben.

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Die Brennstäbe in Reaktor 1 der Atomruine in Fukushima sind offenbar schon 16 Stunden nach dem starken Erdbeben im März zum größten Teil geschmolzen. Das teilte der Betreiberkonzern Tepco am Sonntagabend (Ortszeit) nach Angaben der japanischen Nachrichtenagentur Jiji Press mit. [Update: Weil durch das heiße Gemisch aus Metall und Brennstoff im Boden des Reaktorbehälters Löcher entstanden sein sollen, dürfte der Reaktorbehälter nach Einschätzung eines mit der Krise befassten Regierungsberaters nicht wie geplant zur Kühlung mit Wasser geflutet werden.

Nach der vorläufigen Einschätzung von Tepco seien die Brennstäbe im Reaktor 1 bereits um 6.50 Uhr am Morgen des 12. März zum großen Teil geschmolzen und auf den Boden des Behälters gelangt. Der Reaktor hätte am Vortag bereits kurz nach dem Mega-Beben automatisch gestoppt werden sollen – aber dann kam der Tsunami. Der Kühlwasserstand sei bis zum oberen Teil der Brennstäbe gesunken, hieß es weiter. Am selben Abend gegen 18 Uhr habe die Temperatur zu steigen begonnen. Gegen 19.30 Uhr habe dann die Beschädigung der Brennstäbe eingesetzt, von denen der größte Teil bis 6.50 des folgenden Morgens geschmolzen sei, wurde Tepco zitiert.]

Die Probleme in Reaktor 1 könnten schon durch das Erdbeben am 11. März entstanden sein und nicht erst durch den später eingetroffenen Tsunami. Das lassen laut einem Bericht der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo Daten über radioaktive Strahlung rückschließen, die Tepco-Mitarbeiter kurz nach dem Erdbeben in dem Reaktorgebäude gemessen haben sollen. Druckbehälter und Leitungen könnten schon entscheidend beschädigt worden sein, bevor die Wassermassen eintrafen, berichtete Kyodo unter Berufung auf Eingeweihte. Diese Erkenntnis könne ein Umdenken bei der Katastrophenvorsorge für Atomkraftwerke bewirken. Viele Planungen hätten sich bisher vor allem auf den Schutz vor Tsunamis konzentriert.

Bei den Reparaturarbeiten im havarierten Atomkraftwerk ist erstmals ein Arbeiter ums Leben gekommen. Der zwischen 60 und 70 Jahre alte Mitarbeiter einer Vertragsfirma kollabierte und verlor das Bewusstsein. Der Mann war gerade mit dem Transport von Materialien an einer Abfallbeseitigungsanlage im AKW beschäftigt, gab Tepco am Samstag bekannt. Radioaktive Substanzen seien an ihm nicht festgestellt worden, auch habe er keine Verletzungen aufgewiesen. Der Arbeiter habe möglicherweise einen Herzinfarkt erlitten, berichtete Jiji Press unter Berufung auf Polizeiangaben.

[Update: Inzwischen wurde der Atomunfall auf die höchste Stufe sieben der internationalen INES-Skala eingestuft – ebenso wie der Super-GAU von Tschernobyl im Jahr 1986. Der Betreiber will die Lage in der Atomanlage in sechs bis neun Monaten unter Kontrolle bringen. Goshi Hosono, ein mit der Atomkrise beauftragter Berater von Ministerpräsident Naoto Kan, hält es jedoch für unausweichlich, dass der ursprüngliche Plan von Tepco zur Flutung des beschädigten Reaktorbehälters mit den geschmolzenen Brennstäben darin geändert wird, berichtet dpa.

Tepco hatte zuvor im Untergeschoss des Gebäudes von Reaktor 1 schätzungsweise rund 3000 Tonnen wahrscheinlich hochgradig radioaktiv versuchten Wassers entdeckt, das vier Meter hoch gestanden habe. Dies deute daraufhin, dass in den Reaktorkern gepumptes Wasser durch jene Löcher gelangte, die die geschmolzenen Brennstäbe in den Boden gefressen haben sollen. Bei einer Flutung bestehe die Gefahr, dass verseuchtes Wasser ins Meer gelange, sagte Hosono am Sonntag nach Medienberichten. Die Regierung erwäge stattdessen Möglichkeiten, das zur Kühlung der Brennstäbe in den Reaktor gepumpte Wasser zu dekontaminieren, so dass es erneut benutzt werden kann, wurde Hosono von der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo weiter zitiert. Die Regierung halte dennoch am Zeitplan fest, die Reaktoren in sechs bis neun Monaten unter Kontrolle zu bringen.

Unterdessen verließen die ersten Bürger einer erweiterten Evakuierungszone um die Atomruine ihre Häuser. Der Bürgermeister der Stadt Kawamata verabschiedete am Sonntag rund 50 Bewohner mit Babys und Kleinkindern laut dpa mit den Worten: "Ich weiß, dass Sie besorgt sind, aber wir werden die Schwierigkeiten gemeinsam bewältigen". Furakawa überreichte den Bürgern Schlüssel für öffentliche Wohnungen außerhalb des Stadtgebietes, in denen sie bis auf weiteres wohnen werden.]

Siehe dazu in Technology Review online:

(anw)