Frankreich will auf G8-Gipfel für Internetsperren werben

Die französische Regierung will auf dem kommenden Treffen der acht großen Industriestaaten nicht nur über die Bedeutung des Netzes für das Wirtschaftswachstum sprechen, sondern auch über die Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen.

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Die französische Regierung will auf dem kommenden Gipfel der Gruppe der acht großen Industriestaaten (G8) Ende Mai im französischen Deauville nicht nur über die Bedeutung des Netzes für das Wirtschaftswachstum und die Menschenrechte sprechen, sondern auch über die Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen. "Piraterie und Produktfälschung gehören heute zur Tagesordnung", sagte Jean-Michel Hubert, Beauftragter von Staatspräsident Nicolas Sarkozy für die Koordination der Internet-Themen während der G8-Präsidentschaft Frankreichs, am Dienstag während einer netzpolitischen Runde in der Französischen Botschaft in Berlin. Urheberrechtsverletzungen dürften aber auch im digitalen Raum nicht "bagatellisiert" werden. Es müsse vielmehr leichter werden, derartigen Phänomenen entgegenzutreten und "neues kreatives Schaffen zu ermöglichen".

Zur Aufgabe von Regierungen gehört es Hubert zufolge, auch pädagogisch an die Nutzer heranzugehen und ihnen zu erklären, worin die "Herausforderungen" etwa bei illegalen Downloads lägen. In Frankreich versuche man mit dem "Hadopi-Gesetz", das nach Warnhinweisen nach dem "Three Strikes"-Konzept vorsieht, den Internetanschluss von Wiederholungstätern zu kappen, eine "abgestufte Erwiderung" auf Urheberrechtsverletzungen zu geben. Die Bestimmungen, die dem Vorsitzenden des "Strategischen Rates für Informationstechnologien" zufolge "langsam greifen", seien als "erklärter Wille Frankreichs" zu verstehen, "mehr Verantwortung" im Internet zu übernehmen und so ein "zivilisiertes" Netz zu schaffen.

Das Netz bedarf laut Hubert der "uneingeschränkten Aufmerksamkeit der Regierungen". Bisher seien viele Verwaltungsfragen Initiativen der Privatwirtschaft und der Selbstregulierung überlassen geblieben, Politiker sollten sich hier künftig stärker einbringen, meint Hubert. Ziel solle es aber nicht sein, die Innovation im Internet einzudämmen. Vielmehr müsse es darum gehen, "die Freiheit und Entwicklung dieses wunderbaren Werkzeugs für den Wissenschaftstransfer zu garantieren".

Die G8-Unterhändler haben sich deswegen nach Angaben Huberts darauf geeinigt, in ihrem Entwurf für ein Netz-Kommunique der Staats- und Regierungschefs an erster Stelle "die Bedeutung des Internets" und seinen positiven Beitrag zur Weltentwicklung zu unterstreichen. Das Online-System dürfe nicht durch "überstarke Schutzmechanismen erstickt werden". Sicherungen der Privatsphäre und der Rechte an immateriellen Gütern seien in ein Gleichgewicht mit den Freiheitsrechten und der Flexibilität des digitalen Raums zu bringen. Dieser dürfe freilich auch nicht als "rechtsfrei" angesehen werden. Die G8-Erklärung solle die Nutzer so zugleich auch daran erinnern, dass "die Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden muss".

Zwei Tage vor dem eigentlichen Gipfel will Frankreich in Paris ein "E-G8-Forum" ausrichten. Dabei sollen sich Regierungsvertreter mit Unternehmenschefs darüber austauschen, "was der Markt denkt", erläuterte Hubert. Er hoffe dabei angesichts der wachsenden Bedeutung sozialer Netzwerke, von Cloud Computing und Ortungsdaten auf die Botschaft, dass Regulierung nicht mehr prinzipiell als Tabu, sondern auch als nützlich für den Schutz von Wirtschaftsinteressen aufgefasst werde.

Wolf Osthaus vom Internetprovider 1&1 appellierte an die Verhandlungsführer, sich neuen Regulierungsmodellen zu öffnen und offene Systeme zu schaffen, "die maximalen Wettbewerb erlauben". Es solle vor allem um Fragen des Zugangs, der Vielfalt und des Vertrauens gehen. Für den Verband der deutschen Internetwirtschaft eco machte Michael Rotert klar, dass es "keinen Schutz geistigen Eigentums um jeden Preis", keine "hastige Überregulierung" und kein "2-Klassen-Internet" geben dürfe. Das Problem illegalen Herunterladens würde sich erledigen mit einfacheren Lizenzierungsmodellen für geschützte Werke und wenn die gegenwärtige Rechteverwertung aufgegeben würde. Gegner der französischen Netzagenda haben unterdessen die Plattform "G8 vs. Internet" eingerichtet. Ihrer Ansicht nach strebt Sarkozy an, das Internet zentral zu kontrollieren. (anw)