Diskussion über "präventive" Websperren gegen Glücksspielanbieter in NRW

Die nordrhein-westfälische Landesregierung will sich trotz des im Koalitionsvertrag festgehaltenen Grundsatzes "Löschen statt Sperren" die Option zum Blocken von Glücksspielseiten, die im Ausland legal sind, offen halten.

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Von
  • Torsten Kleinz

Nach dem Bericht über die von der Bezirksregierung Düsseldorf erlassenen Sperrverfügungen gegen Wett- und Glücksspielanbieter in Nordrhein-Westfalen verlangen Landtagsbgeordnete der Opposition von der rot-grünen Landesregierung Aufklärung darüber, ob sie Websperren gegen ausländische Glücksspielseiten durchsetzen will. Die Regierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will sich trotz des im Koalitionsvertrag festgehaltenen Grundsatzes "Löschen statt Sperren" die Option zum Sperren von Glücksspielseiten, die im Ausland legal sind, offen halten.

Irritiert zeigten sich mehrere Abgeordnete davon, dass sie erst über die Berichterstattung von den Sperrverfügungen vor drei Wochen erfahren hatten, die die für Glücksspielaufsicht zuständige Bezirksregierung Düsseldorf bereits im vergangenen Jahr erlassen und wegen der juristischen Gegenwehr der Provider vorerst nicht vollstreckt hatte. Auch in dem Sachstandsbericht zum Glückspielstaatsvertrag im Haupt- und Medienausschuss wurde lediglich angesprochen, dass Sperrverfügungen möglich seien – die bereits existierenden Verfügungen blieben unerwähnt. In der Plenarsitzung vom 18. Mai (PDF-Datei) verlangte der FDP-Abgeordnete Ralf Witzel Aufklärung über die Sperrverfügungen und die Konsequenzen.

Innenminister Ralf Jäger (SPD) bestätigte die Sperrverfügungen gegen die Deutsche Telekom und Vodafone. Diese seien jedoch ausgesetzt worden, weitere Sperrverfügungen seien bisher nicht ausgesprochen worden. Es werde eine Zeit lang dauern, bis die "sehr komplizierte Rechtsmaterie" so sicher ausgelegt sei, dass Landesverwaltungen rechtssicher handeln könnten, erklärte der Minister. Mit der geplanten Einschränkung des Fernmeldegeheimnisses und Haftung von Access-Providern und Registraren im aktuellen Entwurf der Novellierung des Glücksspielstaatsvertrags solle die bestehende Rechtslage nicht verschärft werden, sondern lediglich präzisiert. Zu dem Grundsatz "Löschen statt Sperren" sieht Jäger keinen Widerspruch. Er beziehe sich nicht auf Glücksspielanbieter, sondern auf die Bekämpfung der Kinderpornografie. Die im Ausland lizenzierten Glücksspielangebote könnten im Gegensatz zu Kinderpornografie nicht gelöscht werden.

Ähnlich wird in einer Antwort (PDF-Datei) der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei auf eine Kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Ralf Michalowsky argumentiert. Demnach steht die Landesregierung dem Mittel der Internetsperre kritisch gegenüber. Ausländische Behörden würden auf Hinweise aus Deutschland aber nicht tätig, da die meist im Ausland ansässigen Anbieter von Online-Glücksspielen in dem jeweiligen Staat zugelassen seien; es sei ihnen gestattet, auch Kunden in Deutschland an Glücksspielen teilnehmen zu lassen.

Neben Maßnahmen wie dem Kappen der Geldströme für nicht-lizenzierte Wettanbieter und Aufklärungskampagnen will sich die Landesregierung die Sperr-Option offen halten. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Sperrverfügungen dienten laut Staatskanzlei nicht der Sanktionierung, sondern der Verhinderung illegaler Glücksspielangebote. Die Landesregierung wolle sich aber dafür einsetzen, dass vor der Unterzeichnung des Glücksspielstaatsvertrags geprüft wird, ob Internetsperren im tatsächlich weiterhin erforderlich seien.

Der FPD-Abgeordnete Witzel sagte gegenüber heise online, SPD und Grüne hätten den Bürgern zugesagt, dass es keine Sperrverfügungen geben soll. Das Versprechen werde grundlos gebrochen. Die Landesregierung solle nun darauf hinwirken, dass die Bezirksregierung die Sperrverfügungen zurückziehe. Die Fraktion Die Linke fordert ebenso einen Verzicht auf Internetsperren, begnügt sich jedoch mit dem Aussetzen der Sperrverfügungen.

Die CDU will sich noch nicht festlegen. "Wir wollen keinen Schnellschuss, sondern eine für alle Beteiligten rechtsverbindliche Lösung", erklärte die medienpolitische Sprecherin Andrea Verpoorten gegenüber heise online. Derzeit sammele die Fraktion daher allein Informationen zum Thema. Keinen Grund zur Besorgnis sieht hingegen Matthi Bolte, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. "Wir Grünen haben als Position, dass es im neuen Glücksspielstaatsvertrag keine Websperren geben soll." Er zeigte sich optimistisch, dass diese Regelungen entfernt werden, bevor die Ministerpräsidenten den Staatsvertrag unterschreiben.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco meint, die Aussagen des Innenministers ließen befürchten, dass er Sperrverfügungen für ein legitimes Mittel hält, um gegen illegales Glücksspiel vorzugehen. "Dafür nimmt er Eingriffe in die verfassungsmäßigen Rechte der gesamten Bevölkerung hin", erklärte Verbandsvorsitzender Michael Rotert. Der Plan der Länder, den deutschen Wettmarkt auf Dauer abzuschotten, sei zum Scheitern verurteilt. "Das wird in der Praxis nicht funktionieren, weil die Spieler diese Preise nicht bezahlen und ins Ausland abwandern." So schaffe die Landesregierung lediglich einen Schwarzmarkt. (anw)