EuroDIG: "Die Freiheit im Internet ist in Gefahr"

Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer des schwedischen Außenministers für einen besseren Schutz der Freiheit im Netz hat der vierte European Dialogue on Internet Governance (EuroDIG) begonnen.

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Von
  • Monika Ermert

Mit einer entschiedenen Warnung des schwedischen Außenministers Carl Bildt vor einer Überregulierung des Internets begann am Montag in Belgrad der vierte European Dialogue on Internet Governance (EuroDIG). "Das Internet ist in Gefahr, und die Freiheit ist in Gefahr", sagte Bildt in einer Videobotschaft an die rund 400 anwesenden Vertreter von Regierungen, Bürgerrechtsorganisationen und Unternehmen. Europa müsse für die Freiheit im Internet einstehen und dürfe sich nicht auf die Seite derer schlagen, die mehr Regulierung fordern. Damit knüpfte der schwedische Politiker nahtlos an die Mahnungen des EuroDIG im vergangenen Jahr an, die vor dem Trend zur Überregulierung gewarnt hatten.

Bildt verwies auf den aktuellen Bericht (PDF-Dokument) des UN-Sonderbeauftragten für Meinungsfreiheit, Frank La Rue, zur freien Meinungsausübung im Internet. La Rue bezeichnet darin Zugangssperren für Urheberrechtsverletzungen als grundrechtswidrig. In den Regelungen in Frankreich oder Großbritannien sieht der Bericht einen Verstoß gegen Artikel 19 des Pakts für bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen. Zwar erlaube die Bekämpfung von Kinderpornographie in engen Grenzen Ausnahmen von einem Filterverbot. Er empfehle den Staaten jedoch dringend, die Verursacher zu verfolgen.

Er hoffe, dass La Rues Bericht zu Grundlage einer weltweiten Debatte über die Meinungsfreiheit im Internet werde, sagte Bildt. "Natürlich gibt es Übeltaten im Netz. Das Netz ist schließlich nur ein Spiegel der Gesellschaft. Es werden ja auch am Telefon, im Fernsehen oder auf öffentlichen Plätzen üble Dinge gesagt. Aber die Antwort ist nicht, dass man das Telefonsystem zumacht, Fernsehen verbietet, oder Kundgebungen auf öffentlichen Plätzen verhindert.“ Bildt sprach sich auch dagegen aus, Provider verantwortlich zu machen, sie müssten vielmehr stärker geschützt werden.

Birgitta Jónsdóttir, Mitglied des isländischen Parlaments, forderte insbesondere von der EU Gesetze zum Schutz der Meinungsfreiheit im Netz sowie einen besseren Quellenschutz. Die bei Twitter gespeicherten Daten der isländischen Aktivistin wurden im Rahmen der Ermittlungen gegen Wikileaks von der US-Justiz als Beweismittel angefordert. Sie genieße in dem US-Verfahren weder parlamentarische Immunität noch die für US-Bürger verbrieften Rechte auf Meinungsfreiheit und ein ordentliches Verfahren, berichtete Jónsdóttir. Der Fall werfe ein Schlaglicht auf das Risiko, seine Daten sozialen Netzwerken in außereruopäischen Ländern anzuvertrauen.

Der maßgeblich vom Europarat initiierte EuroDIG hat sich inzwischen als regionales "Internet Governance Forum" fest etabliert. Der Schwerpunkt liegt anders als beim eG8-Forum auf einer intensiven Auseinandersetzung über mögliche weltweite Standards. Auf dem EuroDIG werden Regierungsvertreter und andere Teilnehmer von live eingespielten Twitterfeeds sogleich auf Widersprüche zwischen ihrer EuroDIG-Rede und der Politik daheim konfrontiert. "Russland und ein demokratischer Zugang zum Netz – macht ihr Witze?", wollte während der Rede des russischen Regierungsvertreters ein Twitterer wissen. (vbr)