"Self-Tracking" für ein besseres Leben

Computer-Enthusiasten aus der ganzen Welt nutzen eine neue Generation von Werkzeugen, um selbst kleinste Details ihres Lebens aufzuzeichnen. In Mountain View trafen sie sich jetzt.

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Von
  • Emily Singer

Computer-Enthusiasten aus der ganzen Welt nutzen eine neue Generation von Hard- und Software-Werkzeugen, um selbst kleinste Details ihres Lebens aufzuzeichnen. In Mountain View trafen sie sich jetzt.

Sie wissen, wie viele Kilometer sie in den letzten zwei Jahren gefahren sind und welche Speisen sie in diesem Zeitraum zu sich genommen haben. Oder wie viele Browser-Tabs sie gestern geöffnet hatten und wie viel Schlaf sie in der letzten Woche bekamen.

Das sind nur einige der Details, mit denen sich Besucher der "Quantified Self"-Konferenz beschäftigen. Auf der Veranstaltung, die im Computer History Museum im kalifornischen Mountain View stattfand, trafen sich mehr als 400 Hacker, Programmierer, Unternehmer und Mediziner aus der ganzen Welt. Allesamt sind sie von dem Wunsch beseelt, möglichst viele Daten über ihren Körper und ihr Leben zu sammeln. Das Ziel: Bessere Entscheidungen zu treffen, egal ob es um Gesundheit, Produktivität oder persönliche Zufriedenheit geht. Das kann teilweise recht extrem werden: Einer der Teilnehmer hatte Informationen über seine Sexualpartner der vergangenen Jahre inklusive der jeweiligen Zeitdauer des Beischlafs geloggt. Während einer Session zum Thema Datenvisualisierung machte er sich schlau darüber, wie sich dies am besten aufbereiten lassen würde.

Die "Self-Tracking"-Bewegung ist noch nicht sehr alt. Sie entstand vor wenigen Jahren vor allem deshalb, weil mittlerweile zahlreiche kostengünstige Sensoren verfügbar sind – angefangen vom Smartphone bis zur Hirnstrommessung. Zwar ist etwa das Beobachten der eigenen Fitness- und Essgewohnheiten per elektronischem Gadget schon seit längerem nichts Neues mehr. Doch diese neue Generation sammelt auch solche Details wie Stimmung, Kopfschmerztage, Meditationsleistung und andere eher "schräge" Faktoren.

Neben dem Smartphone, das gleich mehrere Sensoren enthält, werden Alltagsgeräte wie Waagen oder Schrittzähler hier immer beliebter, die ihre Daten drahtlos und vollautomatisch an einen Computer oder Internet-Server übermitteln. Mittlerweile gibt es sogar Geräte mit direkter Twitter-Anbindung, die den Zustand ihres Besitzers automatisch in die Welt posaunen, wenn der das möchte.

Auf der "Quantified Self"-Konferenz gab es noch andere Beispiele zu sehen, etwa die Sportmonitore von Fitbit und Bodymedia. Sie nutzen Beschleunigungssensoren, um die Bewegung des Trägers zu überwachen und verwenden dann spezialisierte Algorithmen, um den Kalorienverbrauch zu messen. Die Daten werden automatisch ins Internet hochgeladen, was dem Nutzer erlaubt, seine Fortschritte jederzeit abzufragen und gegen andere "Spieler" um das beste Aktivitätsniveau anzutreten.

Eines der interessantesten Projekte der Konferenz stammte aber von dem Roboterforscher Kyle Machulis, der herausfinden will, was dazu führt, dass Entwickler manchmal schlechten Code schreiben. Dazu sollen Sensoren und Softwareagenten überwachen, wie programmiert wird. Sie betrachten sowohl den Rechner selbst als auch die Tastatur und den Stuhl, auf dem der Entwickler sitzt. Optional soll auch noch ein Video aufgezeichnet werden.

"Dann könnte man anschauen, was passiert, wenn jemand einen Fehler einbaut und was mit anderen, daraus resultierenden Fehlern geschieht." Machulis will aber noch weiter gehen: So könnte überwacht werden, wann bestimmte Routinen besonders nutzerunfreundlich sind. Dies ließe sich dann vielleicht mit einem bestimmten Verhalten des Programmierers korrelieren.

Ob sich jemand freiwillig dazu bereiterklärt, bei Machulis' Projekt mitzumachen, ist allerdings noch unklar. Noch ist der Self-Tracking-Trend ein Thema für Early Adopter – Technikfans, Topathleten oder Personen mit chronischen Krankheiten. Allerdings tut sich gerade viel, wie man auf der "Quantified Self"-Konferenz sehen konnte: Der Mainstream beginnt, sich für das Thema zu interessieren.

Das heißt nicht, dass verrückte Experimente aufhören: In einer Session diskutierten Teilnehmer ernsthaft über den besten Ansatz, eher merkwürdige Dinge zu testen – beispielsweise, ob ein achtminütiges Stehen auf den Beinen zu schnellerem Einschlafen führt oder Butter die kognitiven Fähigkeiten verbessert.

Ben Rubin, Mitbegründer des Schlaf-Tacker-Anbieters Zeo, sprach auf der Konferenz über Geschäftsmodelle rund um das Thema. Mediziner tauschten sich darüber aus, wie sich solche Techniken in die Diagnose und Therapie einbinden lassen. Selbst große Gesundheitskonzerne interessieren sich bereits für die Idee: In den USA wollen die Robert Wood Johnson Foundation und die Krankenversicherung Humana testen, ob Self-Tracking zu gesünderen Patienten führt. (bsc)