Erneut Streit über Markenschutz bei Top Level Domains

Vor allem europäische Regierungsvertreter zeigten sich vor der Sitzung des Vorstands der ICANN am Montag in Singapur regelrecht erbost über spezielle Markenschutzregelungen für Top Level Domains.

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Von
  • Monika Ermert

Die geplante Verabschiedung der Bewerbungsregeln für neue Top Level Domains (TLD) ist erneut fraglich. Vor allem europäische Regierungsvertreter zeigten sich vor der entscheidenden Sitzung des Vorstands der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) am Montag in Singapur regelrecht erbost über spezielle Markenschutzregelungen. [Update: Mittlerweile hat die ICANN das Bewerbungsverfahren für die neuen TLDs verabschiedet, der Termin wurde nicht mehr verschoben. Ab dem 12. Januar 2012 läuft nun die Bewerbungsfrist.]

Gerard de Graaf von der EU-Kommission sprach den ICANN-Direktoren und dem Chefjuristen der Organisation auf einem Treffen der Direktoren der ICANN und dem ICANN-Regierungsbeirat den Sachverstand im Marken- und Wettbewerbsrecht ab und bezeichnete die Auseinandersetzung als eine Diskussion zwischen "Schwerhörigen und Doofen". Der britische Regierungsvertreter Mark Carvell nannte einzelne Markenschutzvorschläge der ICANN "komplett inakzeptabel".

Die ICANN will Markenrechtsinhaber dazu verpflichten, die Nutzung ihrer Marke nachzuweisen, bevor sie ihnen ein Vorregistrierrecht zugesteht. Damit wollen die privaten DNS-Verwalter verhindern, dass kurz vor dem Start neuer TLDs massenhaft und für wenig Geld neue Marken angemeldet werden und darauf basierend Vorrechte beim Start neuer TLDs eingefordert werden. Beispiele für solche massenhaften Markenanmeldungen waren etwa die Vorregistrierphase für .eu, aber auch die Vergabe zweistelliger de-Domains.

Vor allem Vertreter der deutschen und der britischen Regierung warnten, die "Gebrauchsklausel" bevorzuge Markeninhaber aus Ländern, die Markenanmeldungen vorab überprüften, etwa die USA. Der noch amtierende Vorsitzende des ICANN-Vorstandes, Peter Dengate-Thrush, unterstrich demgegenüber, die ICANN habe die Regeln auf Wunsch der Regierungen so abgeändert, dass jeder Markeninhaber sich bei der eigens zu schaffenden Clearing-Stelle für Marken anmelden und über einschlägige Registrierungen benachrichtigen lassen kann. Nur wer zusätzlich in den Genuss der Vorregistrierrechte kommen wolle, müsse nachweisen, dass er die Marke auch wirklich selbst nutze. Solche global wirksamen Privilegien seien nicht Bestandteil nationaler Markenrechte, gab Bruce Tonkin, Chief Strategy Officer von Melbourne IT und Direktoriumsmitglied der ICANN, zu Bedenken. Tonkin widersprach damit auch Äußerungen des deutschen Vertreters im Regierungsbeirat des GAC, Hubert Schöttner, der die ICANN gewarnt hatte, globale Markenrechtsstandards einzuführen, die über nationale Standards hinausgingen beziehungsweise diese unterschiedlich behandelten.

Strittig sind darüber hinaus gebündelte Anmeldungen neuer Top Level Domains, die von Regierungsseite unter Verweis auf Entwicklungsländer und deren finanzielle Beschränkungen gefordert wurden. Derartige Bündel könnten allerdings letztlich auch bedeuten, dass große kommerzielle Anbieter sich beispielsweise .music in allen Schriften registrieren und damit weniger betuchte Bewerber aus anderen Sprachgemeinschaften blockierten, meinte ICANN-Direktoriums-Mitglied Mike Silber. Er kritisierte, die Regierungen seien hier Lobbyisten aus dem kommerziellen Umfeld auf den Leim gegangen. (anw)