Netzwerk Recherche e.V. berät über "Man in the Middle"

Die Jahrestagung der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche war überschattet von der Affäre um die Bespitzelung von Kollegen für den BND. Geheimdienstkritiker und Gegen-Kritiker traten zum Showdown an.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf der Jahrestagung der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche erhielt Bahnchef Hartmut Mehdorn die "Verschlossene Auster" für seinen restriktiven, selbstherrlichen Umgang mit Journalisten, während Informationsmogul Google knapp geschlagen Zweiter wurde. Aber eigentlich hatte die Tagung nur ein Thema: Den Bundesnachrichtendienst (BND) und seine Taktik, Journalisten zum Beschatten von Journalisten einzusetzen.

So kam es im übervollen großen Konferenzsaal des Norddeutschen Rundfunks zum Showdown zwischen dem Geheimdienstkritiker Erich Schmidt-Eenboom und seinem Kritiker Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung. Diese Zeitung hatte in einem Artikel von Annette Ramelsberger behauptet, dass Schmidt-Eenboom nicht nur Opfer der Journalisten-Bespitzelung durch den BND gewesen sei, sondern auch Täter, weil er selbst Kollegen bespitzelt habe. Gegen den Artikel geht Schmidt-Eenboom inzwischen mit juristischen Mitteln vor. Auf der Hamburger Tagung der kritischen Journalisten konnte Schmidt-Eenboom punkten: Bei den entscheidenden Fragen musste der SZ-Mann passen. Weder wusste Leyendecker, ob seine Kollegin auch Schmidt-Eenboom mit den Anschuldigungen konfrontiert hatte, noch konnte er die Quelle der SZ-Erkenntnisse nennen.

Netzwerk Recherche e.V. ist eine Vereinigung, die journalistische Qualitätsstandards bei der täglichen Recherchearbeit sichern will. Deshalb hat der Verein einen Medienkodex (PDF-Datei) veröffentlicht, der vom Anspruch in den Sphären der reinen Vernunft angesiedelt ist und nicht im realen Leben. Heise-Journalisten sind nach den Kriterien des Netzwerks keine Journalisten, weil sie durchaus ab und zu den bezahlten Flug oder eine Pressereise nach PR-gistan akzeptieren, um an Informationen zu kommen. Entsprechend harsch gab sich auch der geladene Festredner der kritischen Journalisten, Frank A. Meyer vom Schweizer Ringier Verlag. Er bezeichnete Journalisten, die sich mit Arbeiten für PR-Agenturen über Wasser halten, als verbraucht und wertlos für den richtigen Journalismus. Umso schlimmer für die Rechercheure, wenn mit der vom BND bezahlten Bespitzelung von Journalisten durch Journalisten klar wird, dass durchaus honorige Journalisten an der Sache beteiligt waren. Einen durchaus eigensinnigen Aspekt trug der spät in die Diskussion platzende SPD-Geheimdienstexperte Dieter Wiefelspütz vor. Ihn störte weniger, dass Gelder flossen, als vielmehr dass die interne Kontrolle beim BND versagte. Wiefelspütz bezweifelte, ob die Bundesrepublik Deutschland mit drei Nachrichtendiensten (BND, MAD und Verfassungsschutz) noch optimal aufgestellt sei und dachte laut über eine intelligentere Verwendung der Dienste nach.

Abseits des Spitzelthemas und der Verleihung einer Auster in Stein für den Informationsblockierer Mehdorn bot die Jahrestagung genügend andere interessante Themen. Zu erwähnen ist eine Diskussion über den Einfluss von Lobby-Organisationen auf die Arbeit der Medien, komplett mit einer geführten Tour durch Brüssel, die deutlich macht, warum etwa Microsoft massiv in die Lobby-Arbeit investiert. Etwas verworren die Diskussion über "Ex- und Nixperten in den Medien", die sich nicht entscheiden konnte, ob man nun über die beängstigende Inflation von Sportkommentatoren oder die Rolle von Wahlkommentatoren diskutieren sollte. Wie weit die "Expertophilie" mittlerweile gediehen ist, zeigt (der in Hamburg nicht diskutierte) Fall der BBC, die einen zufällig anwesenden Arbeitssuchenden als Experten für den Gerichtsstreit um das Apple-Logo ins Studio holte und vor laufender Kamera befragte.

Kultur-Pessimisten werden aus der Diskussion um den Weltherrscher Google mindestens die Erkenntnis mitgenommen haben, wie problematisch dieser Dienst ist, der nicht nur in seiner Art von Informationsgewinnung dem BND oder der NSA ähnelt. Hendrik Speck, Professor an der FH Zweibrücken, behauptete, dass Google systematisch sein Monopol als Suchmaschine ausnutze, um mit neuen Produkten systematisch Monopole auf anderen Gebieten zu errichten. "Der Unterschied zwischen Google und Microsoft ist, das Google noch kein Kartellverfahren am Hals hat." Der Suchmaschinen-Experte Wolfgang Sander-Beuermann stellte die Behauptung auf, dass Google mit seinem Maschinenpark über eine derart massive Technik verfüge, dass die Firma rechentechnisch jeder anderen Firma, jeder Regierung und jedem Geheimdienst überlegen sei. So lange Google nicht daran denke, Informationen über seine Algorithmen und Verfahren zu veröffentlichen, müsse man von einem gefährlichen Weltherrscher sprechen, so das Fazit. Recherchierende Journalisten, die sich allein auf Google verlassen, sind am Ende auch die Gelackmeierten, weil Google alles über ihre Suche weiß, ganz wie der BND. (Detlef Borchers) / (pmz)