Das Zeitalter der Ideen

Information ist nur der Kopf, die Idee ist der ganze Mensch. Ein paar Anmerkungen zu ganzheitlichem digitalen Design und dem federleichten Netz.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Peter Glaser

Information ist nur der Kopf, die Idee ist der ganze Mensch. Ein paar Anmerkungen zu ganzheitlichem digitalen Design und dem federleichten Netz.

Vor der Jahrtausenwende diente Design vor allem der Augenlust. Es gestaltete Dinge. Aber jeder kennt diesen Effekt: Man sieht jemanden, der hübsche, neue Kleider trägt, und man spürt, dass zwischen Träger und Tracht eine unüberbrückbare Distanz besteht. So war das oft auch mit dem Design. Es rief eher einen Eindruck mechanischer Machbarkeit hervor als von Kreativität. Eine verhängnisvolle Beliebigkeit begann sich auszubreiten. Der erwünschte Effekt, nämlich die einem Produkt, einem Unternehmen, einer Idee angemessene Unverwechselbarkeit darzustellen, kehrte sich ins Gegenteil. Es entwickelte sich eine Art negativer Formvollendung, die wie ein gläserner Schild zugleich blendete und alle Sympathie abzuwehren schien.

Designte Produkte wurden zu einem Synonym für Glätte und ästhetisierte Unechtheit. Die Gestaltung ankerte nicht im Kern der Sache. Ein Ganzes mit einer schönen Form zu umfassen, ist noch lange nicht ganzheitlich. Es ist wie der Unterschied zwischen Information und Idee. Informationen sind Design-Passiva. Sie lassen sich gestalterisch einfassen, ob in ein klassisches Layout oder ein Screendesign, ohne dass dabei viel mehr herauskäme als ein professionelles Arrangement von Elementen. Ideen gestalten aus sich selbst heraus. Eine Information kann im besten Fall eine Idee auslösen, eine Idee hingegen kann jede Menge heterogener Informationen umfassen. Die Information ist nur der Kopf, die Idee ist der ganze Mensch. Im Unterschied zur blanken Information hat die Idee auch, ja: Seele. Nichts Metaphysisches, aber komplexer, als es sich in Informationen abbilden lässt.

Es ist nicht das Informationszeitalter, in das wir eintreten, es ist das Zeitalter der Ideen. Wer sein Produkt oder sein Unternehmen als Idee versteht, und sich selbst als ein Netzwerk aus Ideen, ist im 21. Jahrhundert angekommen. Ideen-Design ist eine äußerst dynamische Angelegenheit. Jede Starrheit wird an der Mobilität des Denkens scheitern, zu der die digitale Technik und das Online-Universum einladen. Die Nutzer werden auf geradezu beunruhigende Weise flexibel werden. Und die alte Wirklichkeit versucht, sich der Wendigkeit und Formbarkeit von Software anzupassen.

Design kann im 21. Jahrhundert nicht mehr an der Oberfläche bleiben, es ist organisch und tief, wurzelt in einem Gewebe aus Hyperlinks. Früher gab es diesen geometrischen Formwillen, der sich zum ersten Mal beim Bau der ägyptischen Pyramiden gezeigt hat: Wir bauen die besseren, die perfekteren Berge; wir stellen reine Formen gegen die krumpelige Natur. Eine Vorstellungen von Vollkommenheit, die sich an den sterilen Elementen idealisierter geometrischer Formen orientierte – Kugel, Würfel, Pyramide. Der Computer ist etwas wie eine elektronische Neuauflage der Pyramiden. Er verheißt Perfektion und Regelmaß in Vollendung. Aber mit seiner Hilfe errichten wir dynamische Bauwerke, Architekturen aus Ideen. Das Internet ist gewaltiger als alle klassischen Monumente und leichter als eine Feder. Seine Gestaltung stellt uns nicht mehr vor Aufgaben mechanischer, sondern organischer Natur.

Online-Areale entstehen, die einer virtuellen Form der Renaissance-Landschaftsgärtnerei entsprechen: ganze Regionen, dem menschlichen Genuss zugedacht, werden neu gestaltet. Unterhaltsam wollen sie sein, friedvoll, nützlich, entspannend und inspirierend – und stets präsent das Bewusstsein der phantastischen Künstlichkeit des Ganzen. Schön. (bsc)